Henfenfeld im Hersbrucker Land war in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel der Nürnberger, da schon damals, wie noch heute schnell mit der Bahn zu erreichen. Das Kloster in Engelthal kennt niemand mehr, wohl schon eher die Bezirksklinik, an der wir im Wald aber mit gebührendem Abstand vorbei laufen!
Der Herr von Schloss Henfenfeld
„Sakrifix!“ Der Herr von und zu Henfenfeld war stocksauer. „Jetzt gibt’s schon wieder Haferschleim zum Frühstück, ich brauch‘ endlich wieder g’scheits Brot!“ sagt’s, steht auf und wirft den Löffel auf den Tisch. „Bringt’s mir den Meister Dietrich, aber heut noch!“
Was war geschehen? Der starke Regen im Januar und die Schneeschmelze hatten den Hammerbach nicht nur über die Ufer treten lassen, sondern ganz Henfenfeld überschwemmt und die Mühle natürlich auch. Das restliche Mehl vom Vorjahr war im hohen Speicher der Mühle zwar in Sicherheit, aber es war doch klamm geworden und roch muffig. Das bräuchte einige Tage strahlenden Sonnenschein, der auf die Dachziegel der Mühle brennt – aber weit gefehlt, bei diesem nebligen und grauen Februar.
Die Stimmung des Edlen Ulrich von Henfenfeld wurde nicht besser, als der Müllermeister endlich vor ihm stand und ihm auf die Frage, warum er denn nicht endlich frisches Mehl liefere, antwortete: „Herr, beim Hochwasser im Mühlental wurde das Mühlrad arg in Mitleidenschaft gezogen, als Holzstämme, die euer Gesinde am Bach geschnitten und dort liegen lassen hat, zwischen Mühlrad und Wassergang getrieben wurden. Wir haben noch reichlich Korn im Speicher, aber so wie’s aussieht, werde er im Sommer auch das frisch geerntete Korn nicht mahlen können, wenn ihr nicht dafür sorgt, dass das Mühlrad endlich wieder in Ordnung gebracht wird.“
Der Herr von Henfenfeld dachte nach. Als Grundherr war die Mühle sein Eigentum, der Müller hatte diese wie seine Vorväter als erbliches Lehen lediglich im Besitz. Das musste er schleunigst in Ordnung bringen, Geldmangel hin oder her, ganz abgesehen davon, dass er mit seinem Kastellan noch ein Hühnchen rupfen würde.
Seine Bauern unterlagen wie alle im Tal dem Mühlbann und mussten ihr Getreide in der Mühle des jeweiligen Herren mahlen lassen, waren doch die Einnahmen aus der Mühle ein beträchtlicher Batzen in seinem Geldsäckel. Eine vertrackte Situation! Er brauchte Bauholz und Bretter für das Mühlrad sowie einen Zimmermann, der so ein Mühlrad fachgerecht zerlegen, reparieren und wieder zusammenbauen konnte und das alles am besten gleich!
Schwierige Zeiten für Ulrich von Henfenfeld, die Pest hat wenig verschont, Landschaften veröden, Hungersnot und Landflucht machen sich breit und der neue böhmische König Karl IV. hat wahrlich andere Sorgen.
Ulrich lies den Stallbuschen sein Ross satteln und machte sich mit zwei Landsknechten auf nach Kruppach. Die Zeiten waren ziemlich unsicher und man war besser nicht allein unterwegs. Um unterwegs keine unliebsamen Überraschungen auf der Landstraße zu erleben, wählte er den Waldweg durch den Hutanger mit seinen großen Eichen, auf dem der Dorfhirte das Vieh der Kleinbauern im Sommer gemeinsam hütete.
Der Kruppacher Seegmüller
Noch ehe sie Kruppach durch die kahlen Äste der hohen Buchenbäume unten im Tal liegen sahen, hörten sie das rhythmische Ritsch-Ratsch, Ritsch-Ratsch der Bandsäge. Steil führt der Weg aus dem Wald hinunter zum Hof des alten Seegmüller, der über den unangemeldeten Besuch doch sehr erstaunt war. Mit den Worten „Wo brennt’s denn Herr Ulrich?“ führte er den Edelfreien in die gute Stube, während die Knechte die Rösser zur Tränke führten und mit Hafer versorgten.
Bei einem Krug Bier erzählte der dann vom kaputten Mühlrad und der Eile, die Not tat. „Da hast‘ aber Glück im Unglück, ich hab‘ grad die Tage ein Dutzend Eichenbohlen gesägt, die dafür prima taugen! Aber wie willst Du denn bezahlen? Dass die Henfenfelder Kassen leer sind, pfeifen die Spatzen ja von den Dächern!“
Nach einigem Schachern einigten Sie sich auf zwei große Eichen aus dem Hain bei Henfenfeld, die Ulrich dem Seegmüller überlassen würde. Dann machte er sich mit seinen Knappen auf nach Engelthal zur Schwester Oberin, um von ihr den Zimmermann des Klosters zu erbitten. Gleich nachdem sie durch das Kruppacher Tor ritten, passierten sie die Pfistermühle, vor der zwei Gespanne standen, die auf dem Leiterwagen Säcke mit Korn geladen hatte – um diese Jahreszeit?
Kurz entschlossen sprang Ulrich vom Pferd, um in der Mühle ein paar Pfund Weizenmehl abzustauben, dann wäre sein Frühstück zumindest die nächsten Tage gerettet! Der Müller verhandelte gerade mit den fremdländischen Fuhrleuten, die um die Mahlmütze, den sechzehntel Teil feilschten und dabei von einem Nürnberger Handelsmann unterstützt wurden. Von dem erfuhr er, dass es sich um neuartigen Buchweizen aus Böhmen handelte, der zu Schwarzmehl für das Kloster verarbeitet werden sollte.
Von gegenüber hörten sie den Gesang der Schwestern aus der St. Johannis Kirche. Es war die Zeit des Stundengebets der Dominikanerinnen und er musste sich gedulden. An der Klosterpforte hinterließ er den Wunsch, man möge ihn bitte aus dem „Weißen Lamm“ hohlen, wenn die Äbtissin Zeit für ihn hätte! In der Zwischenzeit schmeckte dem Henfenfelder und seinen zwei Burschen das Wildbret mit Kartoffelkloß und Mangold und natürlich das Hausbier.
Christin Ebner, Oberin von Kloster Engelthal
Christin Ebner war eine weit über Franken und Bayern hinaus berühmte Mystikerin, die schon viele hohe Würdenträger zu Besuch hatte. Als sie nun Ulrich von Henfenfeld zu sich bat, freute sie sich ganz offensichtlich ihn zu sehen: „Grüß‘ Euch Gott Herr Nachbar, was verschafft uns denn die Ehre, den Herren von Henfenfeld zu empfangen? Er wird uns doch keine Schenkung antragen wollen?“
Ulrich schluckte und erklärte lächelnd seine Notlage. Die Äbtissin spielte auf den Wiesenhof an, der an das Gebiet des Klosters grenzte und auf den sie schon lange ein Auge geworfen hatte. „Selbstverständlich wird euch unser Zimmermann bei der Mühle helfen, aber denkt nicht nur an euer kleines Reich, denkt auch an euer Seeelenheil und das Alter! Wer wird euch einstmals versorgen, wenn ihr alt und siech seid? Denkt noch einmal darüber nach – Gottes Schutz und Heil auf eurem Heimweg!“
Nachdenklich ritt er am Hammerbach entlang, passierte den Schmiedehammer, von dem Bach seinen Namen hatte und erreichte nach einer knappen halben Stunde die Brücke vor Henfenfeld. Die Oberin hatte schon Recht! Viele Nürnberger Patrizier bedachten das Kloster mit Schenkungen, um im Alter einen Platz im Siechenheim zu ergattern, das von den frommen Schwestern unterhalten wurde.
In Henfenfeld ritten sie an der Point entlang, um dem Müller Bescheid zu sagen. Natürlich im „Wirtshaus“ praktischerweise gleich um die Ecke von der Mühle. Zurück zum Schloss ging‘s an der Waffenschmiede vorbei und den Burgberg hoch, wo sie schon sehnlichst erwartet wurden.
Schon 1372 musste Ulrich von Henfenfeld Schloss und Besitz an Hermann von Breitenstein verkaufen und von da an verliert sich seine Spur im Dunkel der Geschichte.