Wir wollen unseren Urlaub in Makedonien nutzen, um Thessalonikis Kulturschätze zu entdecken. Aber wohin mit dem Wohnmobil? Die Straßen sind eng und rechts und links völlig zugeparkt. In vielen Vierteln herrscht ein Gewirr von Einbahnstraßen, in dem man sich als Besucher schon mal an einem Platz wiederfindet, von dem offensichtlich keine Straße mehr wegführt? Egal, wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Abenteuer Parkplatzsuche
Irgendwann sind wir dann ziemlich gestresst, aber am lokalisierten Parkplatz nördlich der Kirche an einem kleinen Park – aber natürlich nichts frei! Ein Wohnmobil steht schon quer über den Bürgersteig – das ist nichts für uns! Einen Häuserblock südlich direkt hinter der Kirche ist noch ein kleinerer Parkplatz, an dem genug Platz zwischen den Reihen ist, um erst einmal stehen bleiben zu können und zu warten. Wir sind jetzt völlig entspannt. Eine Wohngegend für gut Situierte, ein kleiner Park mit der Kirche, da bleiben wir und kochen erst einmal Kaffee – irgendwann fährt dann doch ein Auto weg.
Als wir losziehen, um mit dem Taxi in die Stadt zu fahren, umrunden wir die Kirche und sind geschockt. Im einer Portal hat sich ein Penner eingerichtet, auf der anderen Seite campiert eine Zigeunerfamilie und der ganze Unrat um die Kirche herum zeugt von Dauerbelegung! Da wollen wir unser Wohnmobil stehen lassen? Ich sehe schon die Türe aufgebrochen, alles durchwühlt oder weg?! Mein Traumwanderer sieht das vollkommen gelassen. Keine Gefahr, wir geben denen einfach unser Kleingeld und alles ist gut! Naja, da bin ich anderer Meinung, aber mir fällt auch keine echte Alternative ein.
Also halten wir an der großen Chaussee zum Meer hin ein Taxi an und fahren eine Viertelstunde in die Innenstadt zum Platz des Aristoteles. So richtig kann ich mich nicht freuen, um nicht zu sagen, ich bin ziemlich grantig, aber mir geht unser Wohnmobil nicht aus dem Sinn!
Wir bummeln zum Stadtheiligen
Die antike, hellenistische Agora, auf der die Römer später ihr Forum erbaut haben, ist rings um von hohen Wohn- und Geschäftshäusern umgeben und eingebaut. Das hellenistische Balnearium an der Ecke zur Hauptstraße sieht nach mehr als 2.000 Jahren noch so aus wie heute Fußwärmebecken vor der Sauna.
Weiter oben, an der anderen Ecke sind die Reste des Theaters nur noch am Halbrund der treppenartigen Sitzreihen zu erkennen und das am besten – wie übrigens der ganze Rest des großen Platzes – von der Terrasse der „Blues Bar“ bei einem kühlen Glas Wein oder einer Tasse Kaffee Frappé. Nach der kulturell geprägten Erfrischung ziehen wir weiter durch schmuddelige Straßen mit eigenen Düften – ein bisschen Erinnerungen an China im Sommer kommen hier auf.
Die Kirche Agios Dimitrios ist dem Schutzpatron der Stadt geweiht und sieht von außen eher wie eine große Markthalle aus. Im Innern werden wir vom Gesang einer orthodoxen Pilgergruppe empfangen, was uns auf die besondere Atmosphäre dieser Kirche einstimmt.
„Dem ältesten griechischen Passionstext nach, war der heilige Großmärtyrer Demetrius, ein einfacher Christ, der um die Wende des 3. Jahrhunderts zum 4. Jahrhundert in der Stadt Thessaloniki lebte. Seines Glaubens wegen wurde er dem Kaiser Maximianus Herculius vorgeführt, der ihn zuerst in den Kerker werfen ließ, ihn dann aber, nachdem Demetrius’ Freund Nestor — durch die Gebete des Märtyrers unterstützt —den Lieblingsgladiator des Kaisers im Kampf besiegt hatte, zusammen mit Nestor hinrichten ließ“ [Sirmische Legende].
Nach dem verheerenden Brand 1917 wurden beim Wiederaufbau der Kirche alte Fresken, Säulen und andere Fragmente wieder eingefügt und geben dem Neubau eine altehrwürdige Wärme. Die Gläubigen kommen, schreiben ihre Fürbitten und Danksagungen auf Zettel, durchqueren den reich geschmückten Baldachin und küssen die Glasvitrine, in der die Reliquie des Heiligen aufbewahrt wird, um sich dann im linken Seitenschiff mit dem heiligen Wasser zu benetzen.
Jesidische Pfauen in der Hagia Sophia
Doch das renovierte Deckenfresko mit Christus, den zwölf Aposteln den rechten Weg weisend, und Maria mit zwei Erzengeln ist in seiner Schlichtheit beindruckend.
Mein Traumwanderer glaubt, hier die berühmten Pfauen der Jesiden zu finden [Symbolik des Pfaus], auf die ihn Lailas Onkel aus Georgien hingewiesen hat. Ich suche sämtliche Wände und Decken mit den wirklich vielen Bildern ab – Fehlanzeige.
Er aber ist heute besonders gründlich mit dem Fotografieren: die schwere PENTAX K5 mit Superweitwinkel, die Theta für 360°-Panoramas und sein unauffälliges iPhone 8 Plus.
LANGWEILIG, noch dazu, dass mir immer noch die Ruhe zum Genießen fehlt. Mein Einwand „wir könnten doch mal weiter gehen“ stößt auf totales Unverständnis – vielleicht sollten wir mal für einen Tag die Rollen tauschen!
Und doch waren die Pfauen die ganze Zeit da, direkt vor unseren Augen ohne entdeckt zu werden -> Betrachten Sie im Bild unten den goldenen Kronleuchter mal genauer!
Die Hagia Sophia in 360°:
Überall Reste von Kaiser Galerius
Schräg durch enge Straßen geht es vorbei am Mount Athos Center (wo es die eine der wenigen Eintrittskarten für den Athos gibt) zur wirklich sehenswerten Rotonda. Ursprünglich als Mausoleum von Kaiser Galerius erbaut, später Kirche, dann Moschee und heute Museum mit einem monatlichen Gottesdienst. Die um 400 n.Chr. entstandenen Mosaiken mit Gold und immer noch prächtigen Farben zeugen von höchster Kunstfertigkeit: Betende Märtyrer in einer traumhaften Kulisse mit Pfauen in der Galerie – Endstation Paradies?
Über den schmalen Weg zwischen grünen Büschen von der Rotonda zum Triumphbogen ist Kaiser Galerius wahrscheinlich schon geschritten, wenn er die Reliefs mit den plastischen Bildern seiner Schlachten und größten Siege an den Säulen seines Triumphbogens bewundert hat. Weiter gehen wir vorbei an den Ausgrabungen des Galeriuspalastes, die sich irgendwie völlig deplatziert inmitten mehrstöckiger Wohnhäuser und Billigläden im, von illustren jungen Menschen bevölkerten, Studentenviertel befinden.
Erschöpft und eine wenig durstig schleppen wir uns vorbei am weißen Turm zu einem Café mit Meerblick an der Uferstraße. Heftiger Wind weht vom Meer her, erfrischt uns genauso wie das kühle Bier. Die Ausflugsboote versuchen schwankend in den großen Wellen ihre „Stadttour per Schiff“ durchzuziehen – wer fährt denn bei so einem Seegang da freiwillig mit?
Das Bier entspannt mich eine wenig und so finde ich den Mut, unsere Pläne, zwei Tage lang Thessaloniki zu erkunden, in Frage zu stellen (mir reicht eigentlich schon jetzt so viel Stadt).
Erste Überraschung: Mein Traumwanderer hat das „templed-out-syndrom“! Also beschließen wir, von hier zu verschwinden und rufen ein Taxi, das uns zurück zu Agios Kyrillus & Methodikos bringt.
Zweite Überraschung: Unser Wohnmobil ist noch da, alles heil und nichts fehlt – dann nix wie weg!