Rab, die Insel in der Kvarner Bucht Kroatiens, wirkt von der Adria Magistrale aus betrachtet karg und abweisend. Die grünen Hänge der Bergkette im Westen, die Sandstrände und das mittelalterliche Städtchen Rab entdeckt man erst, wenn man übersetzt.
Mit der Fähre von Stinica nach Rab
Der kühle Nordwestwind hat die schwüle Hitze der Abendgewitter vertrieben und uns einen tiefschwarzen Sternenhimmel beschert. Es ist Neumond und heute Morgen war am Strand vor unserem Wohnmobil Ebbe. Aber in der Kvarner Bucht haben die Gezeiten nur einen knappen Meter Tiedenhub und das kristallklare, türkisfarbene Meer reicht jetzt schon wieder bis fast an die Tamariskenbüsche, die tagsüber spärlichen Schatten spenden.
Die Bucht von Banjol auf Rab, einer kleinen Insel kurz vor der kroatischen Küste, ist ein wahres Kinderparadies – feinkörniger Sand und flaches Wasser, so dass der kleine Anton mit dem Papa fröhlich jauchzend im knietiefen Wasser bis halb zu den Bojen stapfen konnte, die den Badebereich weiträumig absperren.
Vor drei Tagen waren wir nach fast 900 km Fahrt im Hafen von Stinica angekommen, einem öden Küstenlandstrich mit karger Vegetation in der sonnenverbrannten Steinwüste der kroatischen Küste. Welch ein krasser Unterschied zum üppigen Grün der Wiesen und Wälder im Nationalpark Plitvicer Seen gestern, in dem wir auf unserer Fahrt für kurze Zeit Zwischenstation eingelegt hatten.
Die kurze Überfahrt mit der Roll-on-Roll-off Fähre zur Insel Rab ließ mir das Herz in die Hose rutschen. Nichts als karge Steinwüste und flirrende Hitze über der Straße, die zum Fährhafen führt. Hier wollen wir Ferien machen? Weniger Kilometer weiter wird der niedere Gebirgszug, der die ganze Insel durchzieht immer höher und die westlichen Hänge immer grüner und lieblicher.
Erleichtert atme ich auf, als unser Wohnmobil auf dem Campingplatz im dichten Schatten einer hohen Zeder geparkt ist und wir das erste, erfrischende Bad im Meer hinter uns haben – natürlich erst nachdem die Markise ausgefahren und sturmfest verzurrt, Tisch und Stühle aufgeklappt in ihrem Schatten stehen und die erste Zigarette geraucht ist. Wer hat das nur eingeführt?
Rab – Kirchtürme wie Masten auf dem Segelschiff
Gestern sind wir dann eine knappe Stunde bis zur Hauptstadt der Insel geschlendert. Schon von weitem wirkt das Städtchen mit knapp zweitausend Einwohnern imposant wie ein alter Viermastschoner, nur dass die hohen Masten Kirchtürme sind. Der beeindruckenste ist eindeutig ein toskanischer Kampanile mit Bogenfenstern, deren Zahl sich mit jedem Stockwerk um zwei vermehrt. Oben dann eine sechseckige Pyramide, die von einer Balustrade umgeben ist, welche die Aussichtsplattform begrenzt.
Nach der Umrundung des Hafenbeckens betreten wir die Altstadt durch das einzige Tor, das früher Zugang für Pferdewagen und Besucher bot. Wir beginnen unseren Stadtbummel mit einem großen Kaffee und Wasser auf der Terrasse des Bistro Park und lassen Besucher wie Einwohner Rabs auf der Plaza gemütlich an uns vorüber flanieren.
Ganz rechts oben, hinter einer riesigen Palme, ragen die Reste der alten Burgbefestigung aus venezianischer Zeit auf. Die ist nur über viele Stufen einer Treppengasse zu erreichen – dafür ist es uns noch zu heiß – vielleicht später!
Vor uns, am Fuß der Treppe ist der Nimirad Palast, der links neben der kleinen Kapelle ein Pendant hatte, in dessen Ruinen sich ein rustikales, einfaches Restaurant eingenistet hat. Über dem alten Portal wacht eine faszinierende Skulptur, bei der zwei Engelchen das Familienwappen halten, in dem wir den fränkischen Rechen zu erkennen glauben.
An kleinen Boutiquen und Souvenirläden vorbei schlendern wir weiter die zentrale Achse Rabs auf der Sredjagasse hinauf durch ein Torhaus bis zum Uhrturm und der gegenüber liegenden Stadtloggia, dem zentralen Mittelpunkt der Stadt. Seit fünfhundert Jahren trifft man sich unter dem kühlen, von schlichten Steinsäulen getragenen Dach zum Kaffee, auf ein Schwätzchen oder am Abend bei einem Glas Wein und leckerem, gegrillten Lamm vom Spieß.
Ein paar Schritte weiter bietet ein geöffnetes Tor Gelegenheit Mitbringsel aus Lavendel zu erstehen. Von der Seife bis zu den bekannten Lavendelkissen für den Kleiderschrank bis zum Honig von Lavendelfeldern gibt es alles. Um die Ecke ist dann in einem alten Stadthaus das Kellerlokal SV. Marija, das wohl die traditionellste Küche in diesem touristisch verwandelten, mittelalterlichen Ort hat.
Viele Kirchen und noch mehr Heilige
Ein paar Stufen die Treppen hoch stehen wir dann vor dem Portal des St. Antonius Klosters, das vor mehr als fünfhundert Jahren von der Fürstin Zirov zum Dank für die gelungene Flucht aus der Provinz Lika vor den Türken als Nonnenkloster für Franziskanerinnen erbaut wurde. Lika umfasst noch heute das kroatische Hinterland mit der Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Damals wurde der Balkan von den Türken erobert, islamisiert und die Christen vertrieben. Schon zu jener Zeit wurden Zwietracht und Hass für Jahrhunderte gesät, unter deren furchtbaren Auswirkungen wir noch heute leiden.
Wir spazieren weiter dem hoch aufragenden Kampanile der ehemaligen Kathedrale Sveti Marija Velika entgegen und setzen uns im Schatten eine großen Baumes auf ein Mäuerchen, um die uralte, romanische Fassade auf uns wirken zu lassen. Wie in Siena und San Gimignano in der Toskana sind Quader aus zwei unterschiedlichen Gesteinsarten verwendet worden. Sind die Kirchen in der Toskana schwarz-weiß gestreift, ergibt der Muschelkalk mit den anderen Steinen eine weiß-rosa gestreifte Fassade, die einladender wirkt, als die in der Toskana.
Von der ursprünglichen Kirche aus dem 4. Jhdt. zeugen nur noch einige Mosaiken unter dem Sanktuarium. Die Schatzkammer jedoch, enthält mit dem Reliquienschrein für den Schädel des heiligen Christopherus aus dem 12. Jhdt. das wahre Highlight der Kulturgeschichte von Rab. Berichtet doch die Legende, dass der Schutzpatron seine Stadt am 14. April 1075 vor Normannen aus Süditalien beschützt hat, die mit ihren Langbooten Rab umzingelt hatten. Unter Anrufung ihres Schutzheiligen hatten die Einwohner seine Statue in einem zeremoniellen Aufzug auf der Stadtmauer umhergetragen. Wie durch ein Wunder zogen die Normannen nach drei Wochen unverrichteter Dinge wieder ab.
Noch heute feiert Rab Ende Juli diesen Tag mit Ritterspielen und einem Stadtfest
P.S.: An unserem letzten Abend auf Rab gehen wir noch einmal bei Angelo im „Morcic“, dem Mohren oberhalb vom Autocamp Padova, lecker Essen: Tintenfisch mit Mangold und Buzara, eine Muschelplatte mit Miesmuscheln, Herzmuscheln und Langustinos auf Spaghetti.
Nach dem Essen setzt sich Angelo mit der Grappaflasche zu uns für die Rechnung. Kreditkarte? Leider nein – er schließt mit keiner kroatischen Bank einen Vertrag! Vor zwanzig Jahren, nach fünf Jahren Krieg wollte er mit seiner Frau hier das Haus mit Fremdenzimmern und Restaurant bauen, aber alle Banken haben ihn für verrückt erklärt, als er um Kredit bat. Wären seine deutschen Freunde aus Heidelberg und später aus München nicht gewesen, die ihnen für 100.000.- Euro Kredite vermittelt hatten, wäre „Morcic“ nie gebaut worden! Woher er diese Freunde kannte? Angelo hatte während des Krieges immer wieder in Deutschland gearbeitet, um seine Frau und die drei Töchter ernähren zu können.
„Sie haben nicht genug Bargeld dabei? Kein Problem, kommen Sie morgen oder die Tage wieder vorbei oder senden Sie mir den Rest im Brief aus Deutschland. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Abend und einen schönen Urlaub!“