Im Nebelwald hat der Nordoststurm heute Nacht den letzten Wolkenfetzen und auch das letzte Stückchen Nebel verblasen. Perfektes Licht um in den Baumwipfeln der Urwaldriesen zu entdecken und fotografieren.
Sky Walk: Brücken im Himmel
Kurz nach sechs Uhr wird es hell und wir trollen uns nach dieser unruhigen, stürmischen Nacht aus den Federn ins Bad. Wir nehmen einen kräftigen Costa Rica Kaffee in der großen Tasse und Obst mit Cornflakes in unserer Regenbogen Lodge und treiben dann die paar Pferdestärken unseres lahmen 4×4 aus Korea auf die mittelamerikanische Schotterpiste.
Für die paar Kilometer zum Sky Walk bei Santa Elena brauchen wir eine halbe Stunde, haben dafür aber schon eine gründliche Rüttel- und Schüttelmassage abbekommen. Um halb acht sind wir noch die Ersten, die zur Wanderung durch die Wipfel des Nebelwaldes aufbrechen. Die Sonne leuchtet auf die obersten Spitzen der riesigen Urwaldbäume und der Wind jagt noch immer die Wolken über die Berge der kontinentalen Wasserscheide.
Der schmale Fußweg führt in Serpentinen bergauf bis die erste Hängebrücke des Sky Walk ein tiefes Tal in Höhe der Baumwipfel quert. Da wir allein sind, hält sich die Schaukelei auf der Brücke in Grenzen, wenn man schön in der Mitte bleibt und einen Fuß vor den anderen setzt (6 Hängebrücken mit bis zu 50m Höhe und 80 bis 300m Länge).
Was sonst in unerreichbarer Höhe, hoch oben in den Wipfeln der Urwaldriesen vor unseren Augen verborgen bleibt, wird auf den Hängebrücken zum Greifen nahe präsentiert. Epiphyten wie Bromelien und die verschiedensten Orchideen, Moose und Farne, Bäume auf Bäumen – mancher dieser Urwaldriesen ist eine Arche Noah für Pflanzen!
Irgendwann kommt uns eine Gruppe Japaner am anderen Ende der langen Hängebrücke entgegen, obwohl der Sky Walk nur in einer Richtung begangen werden darf. Die lassen wir ganz gehörig schaukeln, als wir mit unseren Wanderschuhen breitbeinig im Gleichschritt an ihnen vorbeimarschieren – Spaß muss sein!
Refugium im Himmel
Auf meiner interaktiven Karte ist nördlich vom Parkplatz des Sky Walk ein „Mirador Arenal“ eingetragen. Der erst gut zwanzig Jahre alte Vulkan steht in den nächsten Tagen sowieso auf unserem Programm, wäre es da nicht gut, schon mal einen Blick darauf zu werfen?
Wir krabbeln die schmale Schotterpiste hügelauf, hügelab, linksherum, rechtsherum – Achtung Schlagloch! Irgendwann lichtet sich der Wald bei einem Abzweig und gibt einen kurzen Blick auf den kegelförmigen Vulkan frei. Wir aber wollen auch den See sehen – also weiter!
Da vorne kommt ein großes Tor, dahinter ein paar Ferienhäuschen und auf dem Parkplatz überrascht uns ein phänomenaler Blick auf den Vulkan. Die „Refugio Lodge“ macht ihrem Namen alle Ehre: Zurückgezogener kann man wohl kaum leben!
Wir parken und bestaunen das unbeschreiblich beieindruckende Panorama. Der majestätische Vulkankegel beherrscht die Landschaft. Links davon der Arenal Stausee, rechts davon die Spitzen der Kordilleren, die zu Hügeln schrumpfen neben dem alles beherrschenden Vulkan Arenal.
Wir gehen zur Lodge und fragen nach Milchkafffee und etwas zu knabbern. Entdecken macht hungrig und unser Frühstück ist doch schon eine ganze Weile her. Kein Problem – es dauert nur ein paar Minuten und Leonel, der Verwalter legt im uralten Steinofen ein wenig Holz nach, bis das Wasser im Kessel auf dem Ofen wieder siedet. Der Herd wurde mitten im Raum aufgemauert, um an kalten Tagen zugleich zu wärmen. Mit der Handmühle malt er unseren Kaffee, um ihn dann im typischen Strumpf Costa Ricas in der Kaffeekanne aufzubrühen. Er lässt ihn genauso ziehen, wie ein Schotte seinen Tee zubereiten würde. Die warme Milch wird mit dem Schneebesen aufgeschäumt, die kleinen Brötchen kommen mit Butter und Marmelade – fast wie Scones!

Leonel zeigt uns seine Lieblingslodge und den Trail zu den fünf Wasserfällen, die zum Gelände der Lodge gehören. Er hat letztes Jahr seinen Job als Banker in San José verloren und die Gelegenheit beim Schopf gepackt, die etwas in die Jahre gekommene Lodge wieder auf Vordermann zu bringen.
Wer ein paar Tage dem Trubel der Backpacker in Sant Elena entfliehen will, ist hier gut aufgehoben.