- Garachico – ein Ort mit Geschichten
- Die schwarze Wüste am Monte Chinyero
- Durch die wilde Mascaschlucht
- Der kanarische Bauernmarkt
Eine Wanderung um die jüngsten Vulkankegel Teneriffas ist nicht nur ein Abenteuer für alle Sinne, es ist auch ein Weg der Besinnung auf uns selbst. Las Arenas Negras und der Kegel des Chinyero machen uns bewusst, dass wir nur eine vergängliche Erscheinung im Angesicht des sich ewig Wandelnden sind.
Las Arenas Negras
Zu unserer Linken ragt der schwarze Kegel des Volcano Garachico in den wolkenlosen, tiefblauen Morgenhimmel, dahinter noch viel mächtiger der alles beherrschende Teide, von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne in tiefes Braun und leuchtendes Rot getaucht. Vor uns am Horizont ein paar Wolken über dem noch blaugrauen Atlantik.
Wir sind heute Morgen sehr früh aufgestanden, haben unser Frühstück auf das Nötigste beschränkt, unsere Rucksäcke mit Brotzeit und einigen Wasserflaschen bestückt, die festen Wanderstiefel geschnürt und sind dann mit dem Auto das schmale Bergsträßchen von Icod de los Vinos nach La Montaneta gefahren, damit wir von unserer Wanderung um die zwei jüngsten Vulkane auf Teneriffa vor der Hitze des Nachmittags zurück sind.
Einen guten Kilometer nach der Eremita San Francisco führte links ein von Schlaglöchern übersäter, schmaler Fahrweg durch den lichten Wald bergauf zum Grillplatz von Las Arenas Negras, auf dem wir unser Auto im Schatten großer Bäume parkten. In den Sommerferien sind hier Jugendlager und sogar ein Stellplatz für Wohnmobile.
Jetzt kommt die Sonne hinter dem Kegel des Teide hervor und taucht die ganze Szenerie in ein magisches Licht. Eine einsam am Abhang des Vulkans stehende Kiefer leuchtet tiefgrün auf, die Tautropfen der Nacht an ihren langen Nadeln brechen das Sonnenlicht und funkeln wie tausend winzige Sterne an den Nadelspitzen.
Der Weg führt uns um die Bergflanke herum in einen Barranco, der dem Inferno gleicht. Kolossale Lavabrocken sind hier aufgetürmt und übereinander geschoben, eine tiefe Rinne markiert das Bett, in dem der heiße Magmastrom ins Tal geflossen ist. Aus einer breiten Erdspalte hat er sich vor mehr als dreihundert Jahren nach Norden gewälzt und innerhalb weniger Tage die blühende Hafenstadt Garachico einschließlich der Schiffe im Hafen unter sich begraben.
Wir gehen ruhig und vorsichtig weiter, um nicht seine Aufmerksamkeit zu erregen – man weiß ja nie, ob er nicht auch mit unserer Brotzeit liebäugeln würde. Da entdecke ich, in ein paar hundert Metern mit dem Fernglas Entfernung, einen Mann auf dem Felsrücken, der offenbar auf den Hund wartet. Ob sich hier nach so langer Zeit noch ein Guanche vor den Eroberern versteckt hält? Nein, es ist wohl eher ein Tinerfeno, der es mit dem Schutz der Natur nicht so genau nimmt und sich als Sonntagsbraten gewilderte Kaninchen schmecken lassen will.
Wir kraxeln weiter durch verstürztes Gestein und Lavabrocken, um endlich den Kieferwald auf der anderen Seite des Barranco zu erreichen. Vor dort führt dann wieder ein breiter, von Steinreihen flankierter Weg bergauf, bis er sich schließlich, durch immer dichteren Baumbestand, einem Fahrweg nähert, der parallel einer gemauerten Levada auf die Hochebene führt.
Volcano Chinyero
Nach einiger Zeit erreichen wir den „Circular Chinyero“, der um den zweiten Vulkan auf unserer Wanderung führt. Wir wenden uns nach links, um den Bergkegel im Uhrzeigersinn zu umrunden. Nach einem steilen Anstieg erreichen wir einen Aussichtspunkt mit Bank, geschaffen für die Rast müder Wanderer. Vor uns der Vulcano Chinyero mit seinem Gipfel und davor ein undurchdringliches Lavafeld.
Seit dem fürchterlichen Unglück, das die Stadt Garachico 1706 ereilte, schien es als ob die feuerspeienden Berge Teneriffas sich ruhig verhalten würden – bis zum 9. Juni 1798, fast hundert Jahre später.
Bory de St. Vincent, der französische Naturforscher, schreibt in seiner Geschichte der Kanarischen Inseln auf Seite 340:
„Ein wenig unterhalb dem Gipfel des Berges war damals eine Art von Abhang auf welchem die größte Öffnung entstanden war, aus welcher dicker schwarzer Rauch aufstieg, und unter Feuerflammen eine Menge glühender Substanzen und Schlacken ausgeworfen wurden. …
Wenn man sich derselben bis auf eine gewisse Distanz nähert, sieht man aus der Dampfwolke, welche ununterbrochen aus demselben emporsteigt, einen Lavastrom hervorbrechen, welcher sich in drei Arme geteilt hat, die sich nachher mit einander vereinigen und nur einen einzigen ausmachen. Dieser Strom schlängelt sich nachher in verschiedenen Richtungen beinahe eine französische Meile weit landeinwärts.“
Tief beeindruckt von den geschilderten Naturgewalten und froh über den ansehnlichen Abstand, mit dem wir den Chinyero umrunden, setzen wir unsere Wanderung fort. Nachdem wir beim Abstieg durch den Wald einen alten Versammlungsplatz der Guanchen umrundet haben, queren wir ein weiteres Lavafeld und halten auf einen bewaldeten Hügel zu, um auf einem Felsen sitzend unsere mitgebrachte Brotzeit zu vertilgen. Vor unseren Augen breitet sich ein Lavafeld aus, das erst weitere hundertzehn Jahre nach dem geschilderten Ausbruch im Juni 1909 entstand. Dieser Ausbruch erfolgte im Gegensatz zu den früheren ohne großes Getöse, der Lavastrom floss mit sechzehn Metern in der Stunde eher gemächlich und umfloss Hindernisse anfänglich ohne diese gewaltsam umzustürzen, nahm jedoch alle Bäume und Pflanzen, die ihm im Weg standen in sich auf und begrub sie unter der schwarzem Scholle.
War der Lavastrom, der Garachico unter sich begrub schnell und hinterließ ein tiefes Tal, war dieser breit und füllte träge das ganze Tal aus. In einiger Entfernung zur Erdspalte am Vulkan verkrustete die Lava und schien still zu stehen, bis andere Lava nachdrückte und die verharschte Rinde wieder aufbrach, um meterhohe Schollen aufzutürmen.
Mitten im Lavastrom hat sich so ein Brocken aufgetürmt und markiert uns Wanderern wie eine Insel im stürmischen Meer ein Zwischenziel, mit dessen Hilfe wir das Chaos durchqueren können.
Ein paar hundert Meter weiter haben wir unseren Kreis auf dem Rundweg um den Chinyero geschlossen und folgen dem Verbindungsweg zum Monte Garachico. Dort halten wir uns rechts, um die liegende Acht jetzt entgegen dem Uhrzeigersinn zu vollenden. Hier türmen sich linker Hand die Lavabrocken zu Mauern, während rechts der lichte Kieferwald mit unzähligen Frühlingsblumen durchwachsen ist.
Bald darauf queren wir wieder die Levada Vergara und nutzen die Gelegenheit, unsere Wasserflaschen aufzufüllen. Wenig später erreichen wir den Picknickplatz „Las Arenas Negras“, dessen Namen wir erst jetzt richtig verstehen: „Der schwarze Sand“.