Die ganze Insel ausgebreitet vor den Augen des Pilgers, von den Bergen der Tramuntana über die fruchtbaren Ebenen des Innenlands Es Pla bis hin nach Palma und den Schiffen auf der Cala Major. Pilger? Ja, diese Wanderung führt uns weit in die Vergangenheit bis in die Zeit der Reconquista durch Jaume I. im dreizehnten Jahrhundert, lässt die Schrecken christlicher Grausamkeiten lebendig werden und endet im Maultierstall bei gebackenen Lamm und dunkelrotem, schweren Wein aus der Weißweinflasche.
Alaro
Wenn wir die kurvenreiche und nervenzehrende Auffahrt geschafft haben, parken wir entweder kurz vor der Schäferei links unter Bäumen oder 50m weiter vor dem Tor rechts auf der offenen Fläche „nur für Gäste“ (zu solchen werden wir aber erst nach der Wanderung zur Belohnung).
Wir gehen durch das Tor und am großen Gebäude der Schäferei links vorbei, bis nach 100m ein Fahrweg rechts bergauf zum „Pla des Pouet“ führt. der Fahrweg mäandert durch Steineichen und Kiefern bis zum Parkplatz im Wald immer bergauf. Von dort folgen wir dem gut ausgebauten Muliweg zuerst nach Norden und dann in östlicher Richtung, passieren ein in die Felsen geschlagenes Tor und kommen direkt unter dem steil überhängenden Berg an eine Wegkreuzung. Rechts geht es wieder zurück zur Schäferei, wir gehen aber erstmal links hinauf zur Bergfeste Castell d’Alaro.
Castell d’Alaro
Bei der Belagerung des Castell d’Alaro hatten sich die beiden königstreuen Hauptleute Cabrit und Bassa nicht nur lange Monate erfolgreich den Eroberern widersetzt, sondern den Unterhändlern auch noch ausrichten lassen, ihr Alfonso könnte ihnen gestohlen bleiben, auf Mallorca würde man Zackenbarsch mit Soße essen (eine Verballhornung von Alfonso zu Anfós = Zackenbarsch). Die Legende berichtet, dass Alfonso III daraufhin die beiden Hauptleute nach der Eroberung der Burg bei lebendigen Leibe am Spieß braten lies (Cabrit heist auf katalanisch Ziegenbock und Bassa klingt wie Brasa, Holzkohlenglut). Dafür wurde er vom Papst dann exkommuniziert, starb aber bereits wenige Jahre später.
Nostra Senyora del Refugi
Wir gehen den mit europäischen Mitteln restaurierten Pflasterweg bis zum Abzweig unter den Felsen zurück und folgen dann dem Weg bis zum Es Verger, das uns den ganzen Weg immer wieder verlockend entgegen blickt.
Einfache Küche und Bar mit Möglichkeit zur Übernachtung für Wanderer im Dormitorium (Vierbettkammer mit Stockbetten, Tür und Fenster) für 14.-€ pro Person.
Zur Reservierung von Übernachtung anrufen +34 971 510 480
Die Schäferei Es Verger
Wir setzen uns und sehen uns um. Über uns sitzen vier Wanderer, die wir bei der Kapelle schon mit dem Lösen von Rätseln einer Schnitzeljagd beschäftigt fanden. Neben dem rauchenden Kamin, in dem die letzten Reste eines Steineichenstumpfes vor sich hinkokeln, sitzt ein illustres Pärchen. An den Wänden Werkzeug vergangener Jahrzehnte und muffelndes Zaumzeug von Mulis, die vor der Zeit der Autos die Lasten aus dem Dorf herauf tragen mussten. Ganz hinten an der Wand ein überdimensionaler Backofen, in dem wohl Oma ihre berühmten Lammgerichte brät.
Inzwischen hat einer der Burschen vom Fernsehtisch Flaschen Gläser und Geschirr von unserem Tisch abgetragen und die Tischplatte fein säuberlich gewischt. Oma hat vier herrlich nach Braten duftende Platten mit dunklem Fleisch, Salat und gebackenen Kartoffeln an uns vorbei zu den Wanderern getragen. So etwas möchten wir auch!!! Sag‘ einer hier werden einem nicht die Wünsche von den Augen abgelesen: Der stämmige Bursche von vorhin klopft sich mit der rechten Hand auf die linke Schulter und brummt etwas auf Spanisch, was ich nicht verstehe. Es sieht aber genau so aus, als wenn unser chinesischer Freund bei uns in Franken Schäufele bestellen will. Si, si das nehmen wir und dazu Vino Tinto und Aqua. Con Gaz? Si, gracias! Er verschwindet hinter der Theke und kommt mit zwei großen Tellern wieder: Lammschäufele und Lammhaxe mit gebackenen Kartoffeln und grünen Salat. So schnell wurde uns noch nirgends serviert!

Wer Wert auf zuvorkommende Bedienung legt und einen Kellner erwartet, der den Wein am Tisch dekantiert und verkosten lässt, ist hier falsch. Der Wein kommt aus dem Fass und wird in einer klaren Glasflasche abgefüllt, die diesen Zyklus ohne lästiges Spülen schon öfter durchlaufen hat. Wer sich aber wie wir nach langem Wandern ausgehungert und durstig auf köstliches Essen und den besten Wein, den wir bisher auf Mallorca getrunken haben stürzt, für den wird dies ein unvergessliches Erlebnis bleiben.
Der weite Weg hat sich gelohnt!