„Eine wunderbar wilde Landschaft mit einem unglaublichen Farbenmeer inmitten von Felsen“ schrieb Claude Monet an seinen Freund Gustave Caillebotte schon vor 130 Jahren. Daran hat sich seitdem nichts geändert.
Les Aiguilles de Port Coton
In der Bucht unter uns treiben große, gelblich weiße Schaumkissen, die der Felsen aus der anstürmenden Dünung des Meeres schlägt. Hin und wieder reißt der Wind ein kleines Watteflöckchen aus dem Schaumberg und bläst es den Möwen um die Ohren, die im Aufwind an den Klippen entlang segeln. Port Coton – Baumwollbucht – wer das Schauspiel einmal bewundert hat, der versteht, warum der Impressionist lieber hier zwei Monate blieb, als seine Kollegen in Pont Aven am Festland der Bretagne zu besuchen, die dort das liebliche Mühlental und die bretonischen Mädchen malten.
Wir schnüren die Wanderstiefel und machen uns auf, dem breiten Küstenwanderweg nach Süden in Richtung Île de Bangor zu folgen. Sozusagen auf den Spuren Monets, der an der Côte Sauvage der Belle-Île 35 Bilder gemalt haben soll. Fünf davon sind heute noch bekannt und wir freuen uns schon darauf die anderen zu entdecken.
Der Küstenwanderweg nach Port Kérel
Unser Weg führt am steilen Hang der Bucht entlang, die tief in die Flanke der Insel geschnitten ist. Steile Stufen, aus dem Fels gemeißelt führen hinunter zu den Ankerplätzen der Boote, die sich jetzt bei Ebbe weit unter uns in den langen Wellen wiegen. Auf einem großen Segelboot sind die Urlauber gerade beim Frühstück. Wir würden bei dem Geschaukel keinen Bissen essen können!
Am gegenüber liegenden Ufer hat der Farn den Weg fast ganz zugewachsen und ich bin froh, lange Hosen anzuhaben, weil sich ab und zu Brombeerranken als Fußangeln zwischen den Farnzweigen verstecken. Jetzt in der Vorsaison haben die Gemeindearbeiter noch nicht alle Wege mit ihren heulenden Motorsensen freigeschnitten.
Oben angekommen, öffnet sich der Blick auf die nächste Bucht und da entdecken wir ihn – den berühmten „Le Fornetch“ bei Port Domois. Ein Felskoloss mitten im tosenden Wasser, umgeben von zahlreichen kleineren Riffen, die diese wilde Küste für jedes Boot extrem gefährlich machen und mittendurch ein gigantisches Tor, das den schroffen Felsenberg wie einen gigantischen Triumphbogen erscheinen lässt.
Dahinter, mit dem Ufer durch ein schmales Kliff verbunden, ist die dunkle Grotte „Le Chtarnek“. Auf der glatten, schräg abfallenden Oberseite des Felsens macht eine Wandergruppe Rast und die Farbtupfer sind darauf wie bunte Wiesenblumen verteilt.
Die Wanderer fehlen auf Monets eher grün-blauem und rot-orange gehaltenen Bildern (Kunstarchiv).
Weiter im Süden wacht der Leuchtturm des Pointe du Talut über den Schiffsverkehr vor der Küste. Heute bei dem schönen Wetter mit der unendlich weiten Sicht wird die Navigationshilfe des wachhabenden Marineoffiziers wohl kaum gebraucht. Er lehnt am Geländer vor dem großen Glashaus, raucht in aller Ruhe eine Zigarette und schaut den Touristen zu, die mit ihren kleinen Leihautos einen Küstenparkplatz nach dem anderen abklappern, um die ganze Insel an einem Tag zu schaffen. Heute Abend geht es für sie dann von Le Palais mit der Fähre zurück nach Quiberon. Wie haben wir es dagegen gut – heute ist erst Mittwoch und wir haben noch ein paar Tage Zeit, die Insel zu erkunden.
Am Pointe de Bornor entdecken wir einen ruhigen Stellplatz mit toller Sicht auf Küste und Meer, ehe wir auf dem Wall der alten Küstenbatterie Rast machen und Baguette mit Hartwurst und Käse schmausen. Das gibt uns den nötigen Energieschub, um die letzten Kilometer durch das grüne Dschungeltal von Port Roder und weiter auf dem, unter tief hängenden Ästen fast verborgenen Wanderweg zum Strand von Port Kérel zu schaffen. Ein letzter, steiler Anstieg auf der schmalen Zufahrtsstraße und wir sind endlich bei unseren Fahrrädern in Kerguélen. Die Rückfahrt zum Wohnmobil ist auf den kleinen Teersträßchen ein Spaß!
Ein kühler Cidre unter dem Sonnenschirm der Bar in Kervilahoven und wir strampeln weiter zum Grand Phare de Belle-Île. Fast dreihundert Stufen zur Aussichtsplattform sind uns jetzt nach der Wanderung aber doch zu viel. Zumal wir das Meiste ja aus der Nähe gesehen haben. Da vorne beim Baumwollhafen sehen wir unser Wohnmobil – dort wartet ein kräftiger Espresso und Kekse als Belohnung für die fleißigen Wanderer.

Was für fantastische Bilder haben wir noch im Kopf! So muss es Claude Monet auch gegangen sein, als er beschloss, viel länger als geplant zu bleiben.