Türkisgrün schäumende, tosende Wasserfluten stürzen zwischen riesigen Steinblöcken gurgelnd von Kaskade zu Kaskade. Das Tal der Verzasca ist ein Miniatur Canyon in den Tessiner Bergen, dort wo die Schweiz am schönsten ist.
Durch’s steinerne Labyrinth
Reizvoll sind nicht nur die tollen Ausblicke auf die wasserumspülten Steinblöcke und die, je nach Sonnenstand smaragdgrün, türkis oder karibikblau schillernden Wasserbecken in ruhigeren Abschnitten, sondern auch die Rusticos mit ihren feldsteingrauen Mauern, kleinen Butzenscheiben hinter hellrot blühenden Geranien.
Bemerkenswert sind auch die Skulpturen, die von internationalen Künstlern für diesen Weg Ende der neunziger Jahre geschaffen wurden. Leider sind die Hinweisschilder wenig aussagekräftig, in der Wegbeschreibung von Malin Frank (siehe unten) finden sich aber weitere Hinweise.
Stürzende Wasser, tosende Verzasca
Der Wanderweg überbrückt diesen Abschnitt mit kleinen Holzstegen oder führt im Frühjahr und nach Regenfällen auch mal durch knöcheltiefes Wasser, was die Wanderer in Turnschuhen zu waghalsigen Bocksprüngen veranlasst oder für nasse Füße sorgt!
Bei uns hatte eine Schnee- und Gerölllawine am südlicheren Wasserfall gegenüber von Aquino den Weg unter sich begraben, was auch uns zum über die Steine springen zwingt.
Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir das Grotto „El Ponte“ in Oviga, direkt oberhalb der Steinbrücke, die im eleganten Schwung die Schlucht mit zwei filigranen Steinbögen überspannt. Wir belohnen uns mit Caffé Crema, Tessiner Brotkuchen und der unvergleichlichen Aussicht auf die pittoreske Szenerie.
Beschreibung der Kunstwerke am Weg (Autor Main Frank)
Von einer Lichtung genießt man herrliche Tiefblicke in das Tal und steigt danach wieder abwärts. Wir wechseln wieder auf die andere Flussseite, folgen kurz der Straße und biegen dann nahe dem Weiler Ganne nach links in den „Sentierone“, den alten Saumpfad ein. Nach wenigen Metern begegnen wir bereits dem ersten Kunstwerk:
- Eine bunt gestreifte Säule aus den natürlichen Materialien der Region markiert den Beginn des Kunstweges, der sich am Ufer der Verzasca entlang zieht. Auf diesem wandern wir nun bis nach Lavertezzo und genießen dabei immer wieder herrliche Blicke auf den wilden Flusslauf, der mit rund geschliffenen, bizarren Granitfelsbrocken übersät ist.
- So gelangen wir bald in eine Art Zauberwald mit windschiefen Türmen, in denen Fabelwesen zu wohnen scheinen. Die Installation Frania des Künstlers Gerardo Wuthier, die man aufgrund ihrer gewagten Konstruktion als Bau-Akrobatik bezeichnen könnte, ist komplett aus gebrauchten Gegenständen wie Fensterrahmen, Türen, Brettern, etc. hergestellt. Sie trägt die Widmung „In memoria di Pioda“ und erinnert damit an die versunkene Ortschaft Piodia, die beim Bau des Verzasca-Stausees überflutet wurde.
- Auf unserem weiteren Weg passieren wir noch zahlreiche Kunstwerke, die durch ihre Form oder Materialien meistens einen regionalen Bezug haben. So auch die Skulptur „Pyrosione“ des Künstlers Eric Kappeler – eine Pyramide aus ortstypischem Gneis und Marmor. Neben den Materialien verweisen die Form, die auf die umliegenden Bergspitzen anspielt und die Bauweise, die an die Steinhäuser im Tessin erinnert, auf die Region. Der Name „Pyrosione“ ist eine Kombination aus Pyramide und Erosion (Verwitterung).
- Weiter geht es entlang der Verzasca und vorbei an Skultpuren, Denkmälern und Installationen, bis man an das Kunstwerk Spazio 2000 von Enrico Scippa kommt. Der Künstler hat mit seinem Kunstwerk eine surreale Illusion geschaffen, bettet er doch drei Eier aus Marmor in ein Nest aus Metalldraht. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Natur und Kultur.
- Nur wenige Meter dahinter erreicht Patricia Jacomella Bonola mit ihrem Kunstwerk eine ähnliche Wirkung. Die Fiori protetti, bunt bemalte Kaffeerahmbecher, erblühen links und rechts des Weges.
- Nach einer längeren Passage durch herrliche Natur – bei der man schon glaubt, den Kunstweg verlassen zu haben – begegnet man plötzlich einigen seltsamen Wegbegleitern, den Passeggiatori. Die grotesken Figuren von Piero Capra mit ihren gebogenen Körpern aus Metall und ihren Köpfen aus Stein könnten einer Zeichnung Mirós entstammen.
- Nun sollten wir immer wieder einen Blick auf das felsige Ufer gegenüber werfen, denn dort können wir bald die bunt bemalten Granitstehlen von Ivano Facchinetti entdecken. Sein Kunstwerk Luogo/Memoria – Spazio/Pittura thematisiert auf zurückhaltende, bescheidene Art und Weise die Beziehung zwischen Kunst und Natur. Es wäre schade, es deshalb zu übersehen.
- Noch wenige Kunstwerke zieren den Weg, dann endet der Sentiero per l’Arte. Die Steinbrücke Ponte dei Salti aus dem 17. Jh., auf der man nun die Verzasca quert, ist ebenfalls ein Kunstwerk. Mit ihren schön geschwungenen Bögen überspannt sie den Wilden Fluss und gibt ein portkartenwürdiges Fotomotiv ab.