Das Felsenlabyrinth auf der Luisenburg bei Wunsiedel im Fichtelgebirge ist nicht nur das größte, natürliche Labyrinth Europas, sondern auch eine Herausforderung. Zumindest wenn man es mit Kind und Kegel zu erobern versucht.
Familienausflug
Hier erzähle ich die Geschichten rund um das Felsenlabyrinth, die Wanderbeschreibung finden Sie bei der Karte weiter unten als PDF, die Bedeutung der einzelnen Stationen ist in der Dokumentation im Archiv ausführlich beschrieben.

Bei schlechtem Wetter bleibt das Labyrinth aus Sicherheitsgründen geschlossen – Info +49 9232 5673
https://wunsiedel.de/tourismus/felsenlabyrinth-luisenburg/
Wie alles begann
Versteckt zwischen uralten Bäumen erahnt man den modernen Bau der Freilichtspiele auf gewaltigen Granitfelsen eher, als dass man seine Dimension richtig erfassen kann. Erst als wir die breite Treppe zum Gasthaus erstiegen haben, wird das, den Zuschauerraum überspannende, Zeltdach sichtbar. Morgen werden wir dort das „Dschungelbuch“ erleben, für heute Nachmittag haben wir uns das Abenteuer Felsenlabyrinth vorgenommen.
Wir lösen Tickets, setzen uns am „Alten Theaterplatz“ erst einmal auf eine Bank und lassen das ganze Szenario auf uns wirken. Hier haben also schon vor mehr als 300 Jahren Lateinschüler ihr Margaretenfest gefeiert, bis den Oberen 1771 das Treiben wohl zu bunt wurde.
Riesige, kissenförmige Granitfelsen sind wie in einer Arena rings um uns aufgestapelt; links führt eine Holztreppe neben einer langen Inschrift im Fels auf die nächste Ebene, als ob sich dort der ertse Rang befände; weiter hinten verengt sich der Platz, Büsche und Laubbäume verdecken mit ihrem Grün den weiteren Verlauf des Wegs; halbrechts vor uns türmt sich eine steile Wand mit einer weißen Marmortafel ganz oben auf, so hoch wie ein Mehrfamilienhaus und versperrt den Blick.
Kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe stellte die schaurige Felsenlandschaft in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchung, als er die Luisenburg 1785 besuchte:
„Meine Abscheu vor gewaltsamen Erklärungen, die man hier mit reichlichen Erdbeben, Vulkanen, Wasserfluten und anderen titanischen Ereignissen geltend zu machen versuchte, ward auf der Stelle vermehrt, da mit einem ruhigen Blick sich gar wohl erkennen ließ, dass durch teilweise Auflösung wie teilweise Beharrlichkeit des Urgesteins, durch ein daraus erfolgendes Stehenbleiben, Stürzen, und zwar in ungeheuren Maßen, diese staunenswürdige Erscheinung ganz naturgemäß sich ergeben habe“ (von Goethe 1785).
Wenige Jahre später begannen die Wunsiedler dann, die Felsenlandschaft rund um den Alten Theaterplatz als Gartenlandschaft zu gestalten, indem sie Schluchten einebneten und Wege anlegten, sowie Rinnsale umleiteten, um Sumpfwiesen trocken zu legen. Der Talschluss war damals am Felsen mit der Inschrift: „Bis hierher sollt ihr kommen und nicht weiter 1794“
Jetzt hatte man einen würdigen Rahmen für Operetten und Singspiele, denen die Honoratioren und die Gäste aus Alexandersbad gleichermaßen lauschten. Bis dann 10 Jahre später das Festspielgelände an die heutige Stelle verlegt wurde, die viel mehr Platz bot. Aus dieser Zeit stammt auch die zweite Inschrift des Bayreuther Hofgärtners: „Ich suchte und fand es geht weiter! Daupeck den 24. August 1805“
In „Europa, Chronik der gebildeten Welt“ von 1836 wurde das gefeiert: „Der neue Weg führt nun vermittelst teils hölzerner, teil in den Fels gehauener Treppen mit 111 Stufen durch ein merkwürdiges Felsengewirre und zwischen ungeheuren, fast ganz glatten, 15 bis 20 Fuß senkrecht emporsteigenden Granitwänden hindurch auf die Höhe, woselbst sich die Ruinen des Alten Schlosses befinden.“
(Einen Abriss der Entwicklung des Landschaftsgartens auf der Luisenburg finden Sie hier!)
Das Raubritternest Lugsburg
Die steilen Stufen waren vermutlich der geheime Fluchtweg der Lugsburg (auch Luchsburg oder Luxburg), einem Raubritternest aus dem 12. Jhdt., die wie Ritter der Burg auf dem Epprechtstein vor allem Kaufmannszüge von und nach Eger überfielen. Die Lugsburg bestand nur aus einem einzelnen, auf einem Felsen stehenden Wartturm, der mit dem Burggebäude durch eine Schutzmauer verbunden war, denn der eigentliche Schutz war das Labyrinth.
„Man klimmt zu dem vornehmsten Schlosse über schauderhafte Felsenstücke, welche die Natur auf keinem Berge dieses Gebirges so groß, so chaotisch und so häufig aufeinander geworfen, als hier, empor … Hier bewundert man die Kühnheit derer, die das Schloss anlegten, noch mehr, als deren Mut, die den Entschluss fassten, das feste Felsennest zu zerstören.“ (Gottfried A. Grau 1795)
Das gelang den Landsknechten aus Eger auch nur mit einer List. Als die Raubritter mal wieder im Tal einem Kaufmannszug aus Eger auflauerten, lies der länger als gedacht auf sich warten und die Spießgesellen saßen in ihrem Versteck fest. Die Landsknechte aus Eger aber bewachten nicht wie üblich die Karren der Kaufleute, sondern hatten sich in gewöhnliche, etwas heruntergekommene Klamotten gesteckt und näherten sich bei einbrechender Dunkelheit ausgelassen scherzend und lachen der Lugsburg von Wunsiedel kommend.
Die Burgwache hielt sie für die siegreich mit reicher Beute heimkehrende Räuberschar und öffnete arglos das Tor. Die Egerer meuchelten die Wachen nieder, setzten Wartturm und Burggebäude in Flammen und zerstörten so viel sie konnten, ehe sie Hals über Kopf abrückten, um den heimeilenden Raubrittern nicht in die Arme zu laufen.
Die Sage erzählt, dass die von ihnen unentdeckte Burgvögtin sich in ihrer Verzweiflung aus der brennenden Burg stürzte und seither als Geist durch die angrenzenden Wälder irrt.
Der Schatz der Raubritter
Vom unermesslichen Schatz, den die Raubritter unter einer großen Stufe im heute verfallenen Keller versteckt haben sollen, berichtet das Deutsche Sagenbuch: „Ein ungeheurer Schatz liegt in einem kupfernen Kessel, der eine Elle hoch und eine Elle breit ist, der ist voll gemünzter Goldgulden. Auf dem Kessel steht ein kupfernes Gefäß, das umschließt eine goldene Königskrone, die mit den größten Perlen und wertvollsten Edelsteinen geschmückt ist.“ (Ludwig Bechstein 1853).
Der Haken an der Sache ist, dass dieser Schatz nur an Heilig Drei König – im Fichtelgebirge also bei Schnee und Frost – und nur von einem Zwerg in schwarzer Kutte, einäugig und hinkend, gefunden werden kann. Kein Wunder, dass unzählige Schatzgräber und Bergleute bisher vergeblich die Felsklüfte der Luisenburg durchwühlt haben.
Von Schmugglern und Kaufleuten
Unser Weg führt nicht in den verfallenen Burgkeller, sondern weiter zur Dianagrotte, um dort auf den Bänken unsere wohlverdiente Vesperpause zu genießen.
Der Rückweg beginnt dort mit dem Kleinen Labyrinth ziemlich abenteuerlich, wird dunkel und verdammt eng, um über die steile Teufelstreppe wieder an Licht und auf den Bundesfelsen mit seinem Gipfelkreuz und einem fantastischen Rundumblick zu führen. Vorbei an den Drei Brüdern und über die romantische Ruinenkulisse der Mariannenhöhe führt unser mit roten Pfeilen markierter Weg, immer leicht bergab zu einem rätselhaften Ensemble:
Durch’s Merck-Gärtchen, vorbei am Zuckerhut zum Schiff, das auch Napoleonshut heißt, eine steile Treppe hinab zu einem Felsen inmitten einer riesigen Pfütze, der bezeichnenderweise Helgoland heißt und mit einem Pavillon bebaut ist – und das alle mitten im Fichtelgebirge ???
Des Rätsels Lösung ist eine längere Geschichte – nämlich die vom Zuckerschmuggel.
Der Wunsiedler Bürgermeister Dr. Johann G. Schmidt war ab 1790 die treibende Kraft hinter der Gestaltung des Felsenlabyrinths als Landschaftsgarten rund um den Alten Theaterplatz. Vor allem die Kurgäste aus dem nahen Alexandersbad erfreuten sich an diesem Ausflugsziel. Als 1805 dann König Friedrich-Wilhelm III. von Preußen mit Königin Luise den Felsengarten besuchen, wird er von den Wunsiedlern flugs in Luisenburg umgetauft.
Als Napoleon die von den Engländern initiierte Schiffblockade der Nordsee Ende 1806 mit der Kontinentalsperre beantwortete, hatten die Engländer Europa als Markt für ihre Kolonialwaren aus Afrika und Indien verloren – zumindest fast! Denn das winzige Inselchen Helgoland entwickelte sich zum Umschlagplatz für Schmuggler – und da waren die Hamburger Kaufleute sicher gute Abnehmer.
Da witterte Florentin T. Schmidt ein gutes Geschäft. Der Sohn des Wunsiedler Bürgermeisters war nach einer Kaufmannslehre in Nürnberg nach Hamburg gezogen und ins Handelshaus des Hamburger Senators Merck eingetreten. Sie schafften Rohzucker aus Übersee quer durch das freie Preußen nach Wunsiedel, das Napoleon wie das ganze restliche Franke dem neuen Königreich Bayern als Bezahlung für Kriegsdienste zugeschlagen hatte.
Warum Wunsiedel? Florentin T. Schmidt baute dort eine Zuckerfabrik, die mit Holzkohle aus dem Fichtelgebirge aus dem Rohzucker das wertvolle Süß raffinierte und das dann als einheimisches Erzeugnis in ganz Bayern verkauft wurde.
Der Überlieferung nach, hat Schmidt auch mit heimischen Zuckerrüben experimentiert. Ob dies ein Versuch war, vom englischen Import des Rohzuckers unabhängig zu werden, oder eher der Verschleierung der wahren Quellen des Rohzuckers dienten, werden wir wohl nie erfahren.
Langsam wird es dunkel und wir streben dem Ausgang zu, um in unserem Wohnmobil noch bei einem fröhlichen Gläschen über die findigen Fichtelgebirgler zu schmunzeln.