Sineu liegt mitten auf der beliebten Baleareninsel Mallorca, umgeben von Olivenhainen und Fincas. Der Mittwochsmarkt dieser Jahrhunderte alten Stadt ist eine der Attraktionen von Mallorca und bietet neben landwirtschaftlichen Produkten, Kleidern, Schals und Stoffen, Taschen Gürtel und anderen Utensilien aus Leder, Süßigkeiten, frisch gesottenes und gebackenes, aber auch Federvieh, Haustiere, Schafe, Esel und viel selbst Gebasteltes, Bilder und andere Werke der vielen Hobbykünstler, die hierher kommen.
Ein El Dorado für Souvenirs, den täglichen Bedarf der Küche im Ferienhaus und das Besondere, nach dem man auf den Touristenmärkten vergeblich Ausschau gehalten hat.
Elena fährt zum Markt
Jeden Mittwoch am frühen Morgen packt Elena ihren uralten Pickup mit der Ernte der letzten Tage, um auf den Wochenmarkt nach Sineu zu fahren. Diesmal hat sie Mandeln und Feigen geerntet, Marmelade eingekocht und auch Mandeln in Honig eingelegt. Das im Frühjahr geborene Lamm und ihr großes Lama kommen auch auf die Ladefläche, die sind für Kinder eine Attraktion und sorgen dafür, dass sie mit Besuchern des Markts leicht ins Gespräch kommt.
Die Kinder sind schon vor vielen Jahren auf’s Festland gezogen, haben dort geheiratet und in einer der großen Städte einen Beruf erlernt. Elena bewirtschaftet den großen Garten jetzt allein und lebt mit ihren Hühnern und ein paar Schafen auf der kleinen Finca im Herzen Mallorcas, das manche für das Kalifornien Europas halten. Der Markt in Sineu ist für sie eine willkommene Abwechslung vom Alltag.

Vor mehr als 700 Jahren hat Sineu, die ehemalige Hauptstadt Mallorcas, das Marktrecht von König Jakob II erhalten, der sich das Städtchen auf einem Hügel mitten in der fruchtbaren Ebene nach der Rückeroberung von den Mauren als Königssitz auserkoren hatte und einen alten maurischen Palast in ein Jagdschloss umbauen lies. Dabei war der Markt nicht nur praktisch zur Versorgung des königlichen Hofstaats, sondern auch eine sprudelnde Steuerquelle für das kleine Königreich.
Heute sind weniger die 3.000 Einwohner Sineus Käufer von Elenas Marmelade und Früchten, sondern die zahlungskräftigen Touristen, die auf der Suche nach einem authentischen Erlebnis, das nicht extra als Touristenspektakel inszeniert wurde, nach Sineu kommen.
Ihr kleiner Stand liegt unterhalb der Treppe vom Marktplatz zur Altstadt ganz in der Nähe der kleinen Halle mit dem Federvieh und dem Tiermarkt, der heute eher ein kleiner Streichelzoo für die Kinder, als ein Verkaufsplatz für Esel & Co ist.
Dort treffen wir Elena zum zweiten Mal. Neben den Ständen mit dem mallorquinischen Schafskäse, dem mit den gebrannten Mandeln und dem mit der Salami, die es mit verschiedenen Kräutern versetzt, praktischerweise in Plastik verschweißt im Viererpack gibt.
Vor vielen Jahren hatten wir bei Elena zum ersten Mal ein Glas mit Honigmandeln erstanden und inständig gehofft, dass wir auch diesmal fündig werden würden.
Auch wir sind von unserem Ferienhaus am Meer zeitig aufgebrochen, um bei der gemütlichen Fahrt im Beetle Cabrio über die schmalen Sträßchen in Erinnerungen zu schwelgen und trotzdem nicht nach zehn Uhr am Markt anzukommen.
Nachdem wir das erste Mal, wie andere Unerfahrene, in den engen Gassen der Altstadt lange vergeblich nach einem Parkplatz gesucht und dann, immer nach Plastiktüten und deren vermutetem Ursprung am Markt, lange durch die Gassen irrten, parken wir diesmal gleich auf der großen Wiese nahe dem alten Bahnhof. Von hier sind es nur ein paar Minuten zum Markt.
Nach einem kurzen Plausch mit Elena steigen wir die Treppe zur Altstadt hoch und genießen die Stimmung im Schatten eines Sonnenschirms bei einer stärkenden Tasse Kaffee.
Da fällt unser Blick auf die bunten Wollpullover und Strickjacken am Stand gegenüber – die sehen aus, wie auf dem Markt in Arequipa – kein Wunder, sie sind tatsächlich aus Peru! An den putzig mit Lamas und Vikunjas bestickten Kapuzenpullovern kommen wir nicht vorbei – die sind genau richtig für unsere Enkelkinder: Daheim kommt der nächste Winter bestimmt!
Der Löwe, die Herrin der Engel und drei Didgeridoos
Im großen Bogen schlendern wir durch die Altstadt auf den Marktplatz und die Kirche zu. Hier dominieren jetzt die Hobbykünstler mit gemalten Bildern aus allen Ecken Mallorcas, selbst gebasteltem Schmuck aus Silberdraht und bunten Halbedelsteinen, Auslagen mit Perlenketten aus Majorica in allen Pastellfarben schillernd und auch altertümliche Holzmodeln. Damit wurden früher in Handarbeit hübsche Muster auf Stoffe gedruckt.
Auf dem Hauptplatz Sa Placa spielt eine Drei-Mann-Combo Jazz, um die Gäste der vielen Lokale zu unterhalten, die bei dem milden Spätsommerwetter die letzten Tage im Freien genießen. In der Enoteca gegenüber probieren wir den Weißwein mit der gelben 2 CV Ente auf dem Etikett und nehmen zwei Flaschen für den Sundowner auf der Terrasse heute Abend mit. Vom Rotwein lassen wir trotz der achtzehn Monate im Holzfass die Finger, der ist nicht nach unserem Geschmack.
Ein Blick auf die Kirchturmuhr zeigt, es ist kurz nach Zwölf – da wird es höchste Zeit, wenn wir der Kirche noch einen Besuch abstatten wollen, ehe sie schließt. Wir schlüpfen durch den schmalen Durchgang linker Hand am Fuß des Kampanile, der mit dem Kirchenschiff nicht verbunden ist, sondern wie italienischer Kampanile einzeln steht.
Die Pfarrkirche der „Herrin der Engel“ ist fast 500 Jahre alt und viel zu groß für die 3.000 Seelen von Sineu. An der Treppe vor dem Seitenportal wacht der bronzene Löwe des Heiligen Markus, dem Schutzpatron der Stadt.
Im Portal sitzen ein paar ältere Herren und verkaufen Tickets für den Besuch des Museums hinter dem Chor für einen Euro. Aus der Toskana sind wir weit höhere Eintrittsgelder für den Besuch eines Gotteshauses gewohnt, auch wenn uns das Museum gar nicht interessiert, sondern eher die himmlische Ruhe nach dem Trubel auf dem Markt. Dazu passt die leise Kirchenmusik und die für eine katholische Kirche fast spartanische Ausstattung mit Heiligenbildern und Altären, die eine innere Einkehr und die stille Zwiesprache mit dem Allmächtigen leicht macht.
Wieder draußen im Trubel des Markttags empfängt uns eine apokalyptische, quälend langgezogene Melodie, unterlegt mit rhythmischem Rasseln und Trommeln. Ich stürze die Treppe hinunter zur „Placa es Mercad“ und bleibe wie angewurzelt stehen. Die schwebenden Melodien und die vibrierenden Basspassagen stammen aus drei Didgeridoos, von denen zwei wie geschrumpfte, schweizerische Alphörner aussehen und werden elektronisch auf Discolautstärke gebracht.
Ziemlich genau das Gegenteil vom „Ave Maria“ in der Kirche, dafür kann hier CD’s der Band kaufen – muss man aber nicht!
Noch lange begleiten uns die urweltlichen Laute auf dem Weg durch die schmalen Gassen Sineus zurück zum Parkplatz.