“In Heidelberg hab’ ich mein Herz verloren…” erinnert sich vielleicht der eine oder die andere Studentin, wenn sie Jahre später als Touristen durch die alten Gassen schlendern.
Romantisches Heidelberg
Wir beginnen unseren Stadtbummel an der Hauptstraße dort, wo das alte Westtor nach Bergheim stand und biegen in die Grabengasse ab. Heute erinnert nur noch die kleine Bronzetafel an der Ecke der alten Universität an das Tor.
Alte und neue Universität
Dass die Weisheit letztlich doch wieder über dem Portal prangt, dafür hat ein Mutiger, anders denkender Heidelberger gesorgt, der die Bronzestatue und die Inschrift über die Wirren des II. Weltkrieges hinaus aufbewahrt hatte.
Die Mahnung, mit Wissen vorsichtig umzugehen
Das Portal mit der den Schleier hebenden Weisheit rechts, die den Jüngling an ihrer Seite belehrt und Prometheus der den Menschen das Feuer brachte links, an den kaukasischen Felsen geschmiedet, dem der Adler das Fleisch aus der Seite reißt, erzählt eine dramatische Geschichte: “Die Götter bestrafen den, der mit dem ihm offenbarten Wissen ihren Willen misachtet”. Nicht von ungefähr nannten Wissenschaftler das 1945 entdeckte Spaltprodukt des Urans Promethium.
Sippenkrieg
Fatal war das für den protestantischen Friedrich V., der im ebenfalls reformierten Prag die böhmische Königskrone annahm, dann aber bei der Schlacht am weißen Berg von der katholischen Liga der bayerischen Wittelsbacher unter General Tilly vernichtend geschlagen wurde. Der zog mit seinem Heer daraufhin nach Heidelberg und beschoss 1622 Schloss und Stadt drei Wochen lang. Nach der Einnahme leitete er die Gegenreformation ein, indem er Jesuiten nach Heidelberg holte, denen die geistige Umerziehung der Untertanen anvertraut wurde. Elf Jahre später waren es dann die Schweden und dann zwei Jahre lang die Katholischen, die der Stadt im dreißigjährigen Krieg den Rest gaben.
Das Jesuitenviertel
Draußen grüßt von vielen Hausecken der mächtigen Stadtpaläste eine Marienfigur, um von der Galubensfestigkeit seiner Einwohner zu zeugen. Die gleich links oben, wenn man die Kirche verlässt, ersticht mit einem Stab, der das Kreuz trägt, gleich noch das Böse in Gestalt eines bärtigen Protestanten.
Vom Proletarier zum Präsidenten
Die drei Zimmer waren zugleich Wohnung für die achtköpfige Familie. Im Wohnzimmer wurden tagsüber Kunden vermessen und probierten ihre neuen Anzüge, die der Vater und zwei Gesellen schneiderten. Die heutige Einrichtung und der aufgeräumte Zustand ist dem musealen Zweck geschuldet, die Realität war wohl weit weniger romantisch, vor allem wenn man daran denkt dass weder fließendes Wasser noch Toilette vorhanden waren und sich mehrere Familien den Abort auf dem Hof teilten.
Alte Brücke und Hauptmarkt
Über den Kornmarkt gehen wir anschließend zur Talstation der Schlossbergbahn, einer modernen Standseilbahn, in deren oberem Abschnitt immer noch die hundert Jahre alten Wagen zur Molkenkur fahren. Nur mit dem Ticketautomaten stehe ich auf Kriegsfuss: von den acht Tickets rückt er nur drei raus, berechnet aber vier ehe er mit “Betriebsstörung” meine Karte ausspuckt. Jetzt weiss ich, warum die anderen am Schalter anstehen. Da der Fahrpreis im der Eintrittsgebühr für das Schloss enthalten ist, gibt es keine echte Alternative.
Gepflegte, romatische Ruine
Über den pfälzischen Erbfolgekrieg und warum Ludwig der XIV. das Schloss sprengen lies haben wir schon gelesen. Hier oben sind die herrliche Aussicht auf den Neckar und die alte Brücke, die mit vielen Figuren geschmückte Fassade des Friedrichsbaus, die Ruine des Ottheinrichsbaus und der berühmte Fasskeller mit dem versoffenen Perkeo interessanter.
Der vielgerühmte Schloßpark ist heute eher unspektakulär, außer man steht auf winzige Lurche und Molche, die sich im Neptunsbrunnen tummeln. Für den Rückweg zur Stadt wählen wir einen versteckten Pfad, der unterhalb der Schlossmauern mit einem Abstecher über den Karlsplatz wieder zum Kornmarkt führt.
Da pfeift’s mir die Ohren weg
Konzert mit rechter Maustaste speichern und vor Ort hören
Zum Abschluss eines so kulturbeflissenen Tages zelebrieren wir unser Abendmahl im Nepomuk, bei Semmelknödel mit Pfifferlingen und dunklem Bier. (Stadtplan zum download im Archiv).
Dann bringt uns der Bus nach Schlierbach zu unserem Wohnmobil auf dem Heidelberger Campingplatz, wo wir müde in die Betten krabbeln und träumen.