Eine Reise nach Hamburg im Januar wird sicher kein Badeurlaub, das war klar! Dass man aber in ein paar Tagen alle Winterwetter von Frost und Sonnenschein über Nebel bis Sprühregen durchmachen kann, war eine Überraschung – und beileibe nicht die Einzige!
Eine Geschichte der Eroberung und anderer Katastrophen
Praktischerweise liegt der im Untergeschoss eines Cafés, so dass man Kultur mit Frühstück bequem verbinden kann. Die Findlinge des Fundaments eines großen Rundturms sind die einzigen Zeugnisse fränkischer Siedler, die vor über 1.200 Jahren die Hammaburg als befestigte Grenzsiedlung des karolingischen Reiches gründeten. Die Pfalz lag gegenüber auf einer künstlichen Insel auf dem heutigen Domplatz und war durch Graben und Palisadenwall geschützt. Was die Wikinger aber nicht hinderte, fünfzig Jahre später die Elbe hochzusegeln und zu plündern und zu brandschatzen.
Die letzte Eroberung, die Hamburg zu erleiden hatte, ist erst zweihundert Jahre her. Napoleons Truppen hatten sich nach verlorener Völkerschlacht bei Leipzig mit 40.000 Soldaten und vielen tausend Verwundeten hierher gerettet und Hamburg auf Befehl Napoleons und mit Hilfe der Fronarbeit Hamburger Frauen und Männer in eine Festung verwandelt, um einer bevorstehenden Belagerung durch die Allianz der Russen und der Preußen widerstehen zu können. Eindrucksvoll zeigt der Epitaph von Siegfried Bendixen an einer Säule der St. Petri Kirche die Vertreibung tausender Hamburger Familien, die als unnütze Esser nur bleiben durften, wenn sie Vorräte für mehr als sechs Monate nachweisen konnten.
Rathaus, Regierungssitz und Prunkbau bürgerlichen Stolzes
Weiter die Rathausstraße hinunter stoßen wir auf das imposante Rathaus, das Ende des 19. Jhd. erbaut wurde, fast fünfzig Jahre nachdem das Alte gesprengt und abgebrannt war. Wie der Phönix aus der Asche sollte das neue Rathaus nach jahrzehntelangem Streit im Senat auferstehen und Hamburgs Triumph über katastrophale Schicksalsschläge demonstrieren. Die Figur des Phönix am Turm zwischen Zifferblatt und Wappen und die Parole RESURGAM („Ich werde wieder auferstehen“) dokumentieren dies. Wir kaufen in der Empfangshalle Karten für eine Führung, die uns einige der über sechshundert Räume des Regierungspalastes näherbringt.
Spannend ist die mehr als 500 Jahre alte Basisdemokratie der Hamburger Bürgerschaft, die unter dem Motto steht: „Die Freiheit der Älteren würdig bewahren“. Bürger konnte jeder Einwohner Hamburgs werden, der mindestens 1.200 Gulden Steuer jährlich entrichtete und den Bürgereid ablegte. Noch heute tagt die Hamburgisch Bürgerschaft alle zwei Wochen im Plenarsaal und debattiert Gesetzesvorlagen des Senats und stimmt letztlich darüber ab. Da Hamburg als Stadtstaat zugleich Bundesland ist, sind die Senatoren nicht nur das Kabinett des Bürgermeisters, sondern auch die Minister des Ministerpräsidenten. Der beruft seine Senatoren, die wiederum vom Parlament der Abgeordneten bestätigt werden müssen. Der wesentliche Unterschied zu früher ist, dass heute jeder gemeldete Einwohner Bürger ist, unabhängig davon ob und wieviel Steuer er zahlt und dass die Abgeordneten im Plenum von diesen Bürgern gewählt werden.
Stadtplan und Geschäfte in der Europapassage finden Sie zum download im Archiv
Shopping und Sightseeing
Nach soviel Politik schlendern wir über den Rathausplatz zur Binnenalster um im MIO unseren Kaffeepegel wieder aufzufrischen. Die Aussicht durch die gewürfelten Scheiben auf das vereiste Wasser, die Prachtbauten der Hamburger Reeder und die wenigen Ausflugsschiffe ist deutlich angenehmer als da draußen rumzugondeln, das heben wir uns für den Sommer auf!
Durch die Passage des Hamburger Hofes und die Poststrasse schlendern wir zur Mellin-Passage, mit edlen Läden und Schaufenstererkern in dunklem Holz. Die Buchhandlung Felix Jud ist ein Dorado zum Stöbern und Schmökern. Die Alsterarkaden geben immer wieder den Blick frei auf Rathaus, St. Nikolaiturm und moderne Gebäude die mit den alten Fassaden zu neuem Leben erwachen. Wie dem riesigen Gewächshaus am Bürgermeister Petersen Platz oder die Glasfassade am Fleethof. Jetzt sind wir langsam tiefgefroren und retten uns am Fleetmarkt in „Die erste Liebe“. Bei heißem Pfefferminztee mit Ingwer und noch heißerer Schokolade mit Honig tauen wir langsam wieder auf.
Die Landungsbrücken, einst das Tor zur Welt
An den Obdachlosen unter der Ludwig-Erhardt-Brücke geht das Wirtschaftswunder wohl immer noch vorbei, auch wenn wir Kinder dieses Wunders einen Obolus in der Sparbüchse vor den Igluzelten hinterlassen. Unser nächstes Ziel, die Landungsbrücken liegen jetzt am späten Nachmittag aber schon im Elbdunst. Der hundert Jahre alte Pegelturm zeigt mit „28“ eher Ebbe, auch wenn die Inschrift mahnt „Vohr di wann de blanke Hans kümmt“. Die nach der Flutkatastrophe errichtete Hochwasserschutzwand verhindert das aber so gründlich, dass der Pegel im Schacht gar nicht mehr gemessen werden kann, sondern elektronisch von draußen übertragen wird.
Wer viel Zeit hat, dem empfehle ich je nach Jahreszeit entweder Kaffee und Kuchen oder einen Eiskaffee in einem der Cafés an den Landungsbrücken und mit Hilfe des interaktiven Hafenfahrplans die draußen vorbeiziehenden Schiffe aus aller Welt zu identifizieren.
Wir spazieren vorbei am Ausflugsschiff „Störtebeker“ und dem Museumsschiff „Rickmer Rickmers“ zum Vorwerk und begeistern uns an den riesigen Seifenblasen eines Hamburger Künstlers, deren Beulen und Blasen die jetzt graue Stadt in bunten Farben schillern lassen.
Binnenhafen, Fachwerkhäuser und Ruinen
An der Kehrwiederspitze entdecken wir ein Plakat mit dem Hinweis auf den Sonntagsgottesdienst in der Flussschifferkirche da unten im Binnenhafen – das werden wir uns merken! Wir gehen über die hohe Brücke und sehen die letzten Fachwerkhäuser am Nikolaifleet, nach dem großen Brand 1842 wieder aufgebaut wurden. Im Haus Deichstrasse 44 dahinter begann damals das Desaster.
Beim alten „Neuen Kran“ biegen wir in die Mattenwiete und überqueren das Nikolaifleet auf der Holzbrücke. Dort studieren wir das aktuelle Programm des Theaters „Das Schiff“. Dieses Wochenende nichts für uns – vielleicht ein andermal!
Wir überqueren die Willy-Brandt-Straße auf der Fußgängerbrücke, umrunden das eingerüstete Mahnmal der St. Nikolaikirche. Die Ruine stammt nicht mehr vom großen Brand, sie wurde wieder aufgebaut, um dann hundert Jahre später 1943 im Feuersturm des Bombenhagels der Alliierten erneut abzubrennen. Auf der Trostbrücke hält die Staue des Heiligen Ansgar, des Apostels des Nordens, die Marienkirche im Arm, die er in der Hammaburg errichten ließ.

20095 Hamburg, +49 40 321414 www.leplatdujour.de
Die Dämmerung senkt sich und wie es der Zufall will, haben wir im „Le Plat du Jour“ noch einen Tisch ergattert, um Entrecote und Hühnerleber auf Blattsalat zum Abendessen bei einer guten Flasche Rotwein zu genießen.
Ein lesenswertes Buch mit vielen Details ist „111 Orte in Hamburg„