- BERAT, die Stadt der 1000 Fenster
- Butrint, Welterbe und Keimzelle Europas
- Gjirokaster, skipetarische Harmonie
- Welterbe in Albanien
Das laute Blöken der Schafe und das helle Gebimmel der Glocke des Leithammels wecken mich. Unser Wohnmobil scheint von tausenden von Schafen umgeben zu sein. Als ich schlaftrunken den Kopf zur Tür rausstrecke, sehe ich, es sind nur fünf oder sechs und der zahnlose Alte, der gerade das Gatter wieder hinter den Schafen schließt, grinst einen freundlichen „Guten Morgen“.
Hotel Viktoria
Oh je, die Gegend hier hat zu sozialistischen Tagen als Ausflugsziel gedient: Hotels mit Tennisanlagen, „Parkanlage“ und Spazierwege um den See zu ziemlich abgewrackten Restaurants – alles schon etwas derangiert. Aber Roswithas Stellplatztipp mit dem Hotel Viktoria ist genau passend für uns, wollen wir ja nicht im Hotel, sondern davor übernachten und das ist gut so, haben einige der Fenster nur Plastikfolie anstatt Glasscheiben und die Farbe bröckelt hier und da auch schon schwer ab.
Wir klopften gestern vorsichtig an der Türe des Hotels und wurden von zwei sehr, sehr freundlichen Frauen begrüßt, die uns in albanisch-italienisch zu verstehen gaben, dass die Küche natürlich geöffnet hat und wir zum Abendessen herzlich willkommen sind. Wir sind die einzigen Gäste in einem Lokal, das locker zwei Touristenbusse bewirten kann und der runde Tisch ist fürstlich für uns eingedeckt. Meine Bedenken, wie frisch und verträglich hier das Essen wohl sein wird, waren völlig unbegründet. Typisch albanisch gibt es Qlifdi, Sabkhat, Lamm und alles Mögliche vom Schwein und jede Menge Salat. Geschmacklich alles sehr lecker, wenn auch das Fleisch eher für gute Zähne geeignet. Zum Bezahlen haben wir keine Leke, ist aber kein Problem: Karte geht immer und Euros natürlich auch.
Gjirokaster wartet auf uns
Die überaus freundliche und bemühte Dame von der Tourist-Info weist uns auf die Attraktion des Wochenendes hin: Ein „Beer-Festival“ auf dem Marktplatz der Altstadt – na, das haben wir zuhause auch, da müssen wir nicht hin! Mit vielen Erklärungen und einem Stadtplan ausgerüstet, ziehen wir los. Wir schnaufen den Weg zur Burg hoch und kommen ins Schwitzen, auch wenn er zum großen Teil unter Bäumen entlangführt, an denen alte Frauen ihre selbst gehäkelten und geklöppelten Deckchen, ihre Kräuter aus dem Garten oder auch ein bisschen Plunder feilbieten. Zwei kleine Häkeldeckchen kaufen wir als Souvenir.
Als wir das Tor der düstersten Festung Albaniens durchschreiten, finden wir uns in den Kasematten mit allerlei Kanonen, alten Panzern und heroischen Statuen uns unbekannter Kämpfer. Die Katakomben ein Stück weiter waren bis zum Ende der Diktatur Enver Hoxhas Gefängnis und Folterkammer – kann man besichtigen, wir brauchen das aber ganz bestimmt nicht!
Spannender ist da schon der Blick vom Bastionsgarten über die Altstadt mit ihren wunderschönen, teils leider schon verfallenen Herrenhäusern, den Moscheen und den engen Basargassen unter uns. Die kleine Teke, in der zwei berühmte Persönlichkeiten der Stadt in Sarkophagen ruhen, gibt uns ein merkwürdiges Gefühl der Stille und des Friedens in dieser mächtigen, von Kampf und Leid geprägten Festung.
Das Zekate Haus in 360°:
Das Turmhaus des osmanischen Beamten
Dicke Wolken ziehen auf über die Berge und es fängt an zu tröpfeln – ein guter Zeitpunkt, das alte Herrschaftshaus des Beqir Zeko, eines hohen Beamten des Ali Pascha von Tepelena (1740-1822) aus dem Jahr 1812 zu besichtigen. Der Zauber des Orients, das Leben in osmanischer Zeit erwacht hier wieder zum Leben. Prachtvolle Empfangsräume und Gästezimmer, normale Wohnräume mit den Sofas entlang der Wände für die Männer – da sehen wir richtig die Herren mit Wasserpfeifen sitzen und hören sie über das Leben im Allgemeinen und die Arbeit im Besonderen lamentieren. Darüber die mit filigranem Schnitzwerk abgeschirmten Balkone für die Frauen, die still den Gesprächen der Männer lauschen durften und vielleicht schon mal einen Blick auf ihren Zukünftigen werfen konnten, wenn Verhandlungen über Eheverträge anstanden. Ein Vetorecht hatten sie natürlich nicht!
Nach einem wirklich herzlichen „Auf Wiedersehen“ geht es nun durch die Gassen hinab zur Altstadt. Was von oben alles so romantisch aussah, verliert zunehmend an Charme, wenn man so durch die Gässchen an leerstehenden Häusern vorbei über die Treppchen stolpert. Das Unkraut wächst seit Jahren unbekümmert und manch ein Hausflur sieht ziemlich abgeranzt aus.
Einblicke in das albanische Leben
Was in Wikipedia noch als halbe Ruine zu sehen ist, wurde neu renoviert und als Museum ein krasser Gegensatz zum fast original erhaltenen Zekate Haus. Bilder in den Vorräumen zeigen das bewegte Leben des Schriftstellers, dessen Bücher auch ins Deutsche übersetzt wurden („Chronik in Stein“). Der junge Mann, welcher uns durch das Museum führt, erzählt spannend vom Alltag und den Lebensgewohnheiten in den traditionellen Familien Albaniens in der damaligen Zeit.
Wir bummeln weiter durch die Gassen und landen wieder am Basar. Die Händler hier sind lustig: „Woher? Deutschland? Ach Deutschland, da war ich viele Jahre in Stuttgart. Schau dich um, wenn nix is – is nix, kein Problem!“ Doch wir finden zwei schöne fein gearbeitete Silberarmbänder.
Mit unseren Schätzen in der Tasche lassen wir uns unter einem riesigen Ahornbaum in der originellen Taverna Rrapi nieder. Was es hier nicht alles zu essen gibt: Qlifdi, Tarator, Turshia, Qofte … aber auch Froschschenkel. Na, da schlägt mein Traumwanderer natürlich zu. Alles schmeckt ganz toll, sogar der Rotwein! Die Fröschlein waren echt und viel zu knabbern, aber lecker. Die Speisekarte bietet auch Aal, Barsch und ähnliches, sind hier im Binnenland ja noch riesige Flüsse und Seen.
Die Kreuzung am Basar in 360°:
On the road again
Als es dann auch noch heftig zu regnen beginnt, lassen uns die Spurrillen ein Tänzchen vollführen. Die Straße wird merklich schlechter, um sich dann zu einer miserablen Piste aus Teer mit Beton und Löchern zu entwickeln.
Ein mit Strohballen vollbeladener Kleinlaster tanzt vor uns von einer Straßenseite auf die andere. Er kennt die Tücken dieser Piste und ich kann mich voll darauf verlassen, dass es echt kritisch wird, wenn er bremst. Gefährlich schaukelnd führt er uns um die größten Rillen, Löcher und das Nichts einer ehemaligen Landstraße auf dem Weg nach Berat, unserem nächsten Etappenziel. Aber davon ein andermal mehr!