Wat Rung Khun, nur wenig südlich von Chiang Rai im Norden Thailands ist ein Tempel, der mit der Hagia Sophia in Istanbul und der Sagrada Familia in Barcelona auf einer Stufe steht: Weltwunder!
Der Empfang am Eingang des Tempels Wat Rong Khun erinnert mich frappierend an die Alpträume im Opiummuseum von Doi Tung. Ist zwischen den Verführungen und Herausforderungen unseres täglichen Lebens und dem ekstatischen Alptraum im Rausch des Opiums so wenig Unterschied?
Mara, das Prinzip der Versuchung und des Todes
Die sanft gewölbte, schmale Brücke führt zur Erlösung, die als fantastischer Tempel in blendend reinem Weiß dahinter zu erahnen ist.
Rechts und links wachen gute Geister darüber, dass die Gläubigen nicht vom Weg zur vollkommenen Tugend abkommen und die Regeln Buddhas einhalten. Unter der Brücke des irdischen Lebens schwimmen im Wasser des Ozeans neben Totenschädeln und einer Kristallkugel auch die apokalyptischen Propheten der neuzeitlichen Science Fiction Hellraiser und Hellboy, Verkünder dessen was kommen wird.
Der Berg Meru
Von hier aus ist der Wat Rong Khun, der weiße Tempel Buddhas zum ersten Mal ganz zu sehen. Die drei überlappenden, steilen, mit weißen Ziegeln gedeckten Dächer werden von den Schwanenhälsen begrenzt, die böse Dämonen abwehren.
Der Phantast Chalermchai Kositpipat
Der reiche Künstler und Architekt Chalermchai Kositpipat hat mit dem Bau 1977 als persönlicher Lebenstraum zu Ehren Buddhas begonnen. Doch schon wenig später wurde er von befreundeten Künstlern unterstützt und darin bestärkt, daraus einen thailändischen Kunstschatz zu machen.
Wir pilgern die wenigen Schritte hinab zum Tempeltor und sind überwältigt vom Zierrat und dem hellen Glitzer der Drachen und Fabelwesen, die den Tempel wie einen Eispalast im finnischen Savonlinna oder die im bitteren Frost Sibiriens kristallisierten Schneewunder aus Dr. Schiwago wirken lassen.Es wirkt etwas irritierend – bei 38 Grad im Schatten!
Der apokalyptische Tempel
Nach und nach erkennen wir in den orange, braun und goldfarbenen Bildern der Wände Anspielungen auf die Versuchungen der modernen Welt, die unserer Erleuchtung und dem Erreichen des Nirwana, des die Welt überwindenden Zustands, im Wege stehen.
Da tanzen Michael Jackson und Elvis Presley zwischen wilden Flammen und Dämonen, während schwarze Ölpumpen und atomare Wolkenpilze die Erde vernichten. Dort krachen zwei Boeing 737 in die Twin Towers des World Trade Center und weder Superman noch Nero aus der Matrix können das verhindern. Das gerade in Indochina omnipräsente Smartphone als die Giftpille für jedes menschliche Miteinander fehlt natürlich nicht.
Die Welt geht beinahe unter
Die teilweise fotorealistischen Abbildungen im Inneren des Tempels mit ihren, der traditionellen buddhistischen Ikonographie nur selten entsprechenden Darstellungen hat die Kritik der thailändischen Regierung provoziert. Im Inneren des Tempels darf deshalb nicht mehr fotografiert werden, in der Galerie des Klosters sind jedoch Kopien einiger Kunstwerke zu erwerben.
Und natürlich sind hier auf Traumwanderungen Bilder zu finden!