Eine Rotweinwanderung im sonnigen Ahrtal bei angenehm milden Temperaturen in traumhafter Herbstsonne muss doch jeden Genusswanderer reizen. Mit ein bisschen Glück spielt das Wetter mit und man erlebt einen goldenen Oktober, in dem die Weinblätter wie ein buntes Kaleidoskop mit ihren Farben wetteifern.
Von Bad Bodendorf nach Heppingen ( 7 km, 2-3 Std.)
Wir sind am schönen Rhein entlang mit der Bahn bis Remagen gereist und dann umgestiegen und noch mit dem Ahrtalbähnchen eine Station bis Bad Bodendorf gefahren. Im Ahrtal-Café stärken wir uns mit einem großen, schwarzen Kaffee und die Schwarzwälder Kirschtorte lässt uns die lange Bahnfahrt vergessen.
Auf der alten Heerstraße geht es dann auf unserer ersten Halbtagesetappe auf breitem Weg durch Laubwald sanft bergauf. Der Herbst kündigt sich schon mit den ersten farbigen Bäumen an und auf den Streuobstwiesen weiter oben sind Äpfel und Birnen schon längst geerntet. Mit jedem Schritt lassen wir den Lärm und die Hektik des Alltags ein Stück mehr zurück.
Immer wieder lädt eine Bank oder eine Schutzhütte zur kurzen Rast ein und wir genießen den Blick über das weite Ahrtal bis hinüber nach Sinzig, der alten Stadt am Rhein, in der schon Kaiser Barbarossa eine Pfalz gründete. Nach etwas mehr als einer guten Stunde sehen wir unter uns die ersten Weinberge des Ahrtals, die wir nach einer weiten Schleife im Lohrdorfer Tal auch durchwandern.
Die historische Kapelle von Lohrsdorf ist leider verschlossen und von außen macht sie nicht viel her. Überhaupt halten sich die viel beworbenen Fachwerkhäuser von Alt-Lohrsdorf in ihrer Attraktivität in Grenzen. Was auf dem Ortsprospekt ein idyllisches Ensemble von alter Mauer, Wegmarterl und Kapelle im blühenden Grünen ist, grenzt in Realität an die Bundesstraße und findet sich so in der Eifel in jedem Nest.
Das fränkische Gräberfeld aus dem sechsten Jahrhundert zeugt von uralter Besiedelung, das Lothringische Kreuz vom französischen Einfluss. Das noch heute im Ahrtal geflügelte Wort: „Müsch, Prüm, Paris“ stammt aus dieser Zeit und war die Marschanweisung an die frisch ausgehobenen Rekruten, um sich der „Grande Armee“ anzuschließen.
Etwas mühselig geht es dann wieder hinauf, zuerst durch herbstlichen Blätterwald und dann endlich auch durch Weinberge. Entlang einer hohen Betonmauer und auf betonierter Fahrstraße für den Weinbau, linker Hand das verkehrsreiche Tal, hat der Rotweinwanderweg hier noch viel Potenzial um romantischer zu werden.
In einem kleinen Taleinschnitt steht eine gemütliche Bank mit schönem Ausblick, der richtige Ort um dem Podcast mit der Sage von den „Jungfrauen von Landkrone“ zu lauschen.
Wir wandern auf einem Waldweg schließlich um den Basaltkegel der Ruine Landskron, bis wir auf einer langen Treppe nach Heppingen absteigen, um im Weingut Burggarten bei einer Weinprobe aus dem gut bestückten Kühlschrank unseres Zimmers und dem Rotwein aus der Schatzkammer im Keller, einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Tage zu bekommen.

Bei Buchung im Burggarten unbedingt für Abends eine Vesper bestellen, da es in Heppingen außer einem Kiosk und einem Sternekoch keine Bewirtung gibt!.
Von Heppingen nach Ahrweiler ( 12km, 4-5 Std.)
Wer die erste Halbtagesetappe auslässt und in Heppingen mit dem Rotweinwanderweg beginnt, versäumt nicht viel. Auch das erste Stück unter der dominanten A61 Autobahnbrücke hindurch entbehrt jeder Romantik: Unten der Abfüllbetrieb von Coca-Cola und Apollinaris, oben der Verkehrslärm der Autobahn! Was etwas tröstet ist der Podcast, der die Geschichte vom Weinbauern erzählt, der die Mineralwasserquelle gefunden hat und damit die „Queen of Table Waters“ schuf.
Nach einer guten Stunde erreichen wir die ersten Weingärten oberhalb Bad Neuenahrs und haben einen fantastischen Rundumblick von der Marienkapelle unterhalb der Ruine Landskron bis zum Turm auf Burg Neuenahr. Hier ist der rechte Platz, um in Ruhe dem Podcast mit der Sage von der „Brücke über den Wolken“ zu lauschen.
Nach einer etwas mühseligen Umgehung der A573, vorbei an abgeernteten Feldern, erreichen wir wieder Weinberge, die uns auf dem Weinlehrpfad bis zur Kapelle der Magdalenenruh begleiten. Hier machen wir ein letztes Mal für heute Rast. Der Podcast von der „Röhmerstadt Ahrweiler“ erzählt von der Gründung und der Geschichte des romantischen Weinortes.
Wir freuen uns über den weiten Blick, der das gesamte untere Ahrtal umfasst: Von Bad Neuenahr, unter uns Ahrweiler, unser heutiges Tagesziel, und dahinter Kloster Calvarienberg mit seinem neugotischen Altbau, der ebenso gut in England stehen könnte.
Unmittelbar vor den Betonstützen der unvollendeten Eisenbahnbrücke steigen wir den steilen Pfad und dann die Treppen hinab zum Fahrweg nach Ahrweiler, das wir durch das Adenbachtor betreten.
Es ist später Nachmittag und auf dem Marktplatz vor der St. Laurentiuskirche herrscht reger Betrieb. In den vielen Weinstuben und Cafés ist jeder Stuhl besetzt und selbst auf den Steinen rund um den Brunnen vor der Kirche sitzen die Besucher mit einem Weinglas, plaudern angeregt miteinander und genießen die letzten Strahlen der Sonne, ehe die Schatten der alten Fachwerkhäuser die sanfte Wärme des Herbsttages vertreiben.
Durch das Seitenportal betreten wir die uralte Kirche und werden von Dunkel und Stille überrascht. Die vielfarbigen Glasfenster schlucken das letzte Tageslicht. An einer Säule entdecken wir den Lichtautomaten und füttern ihn mit 50 Cent Stücken, aber nur mit mäßigem Erfolg. Immerhin wird die kunstvolle Deckenbemalung aus dem Dämmer hervorgeholt und sichtbar.

Nach einem kurzen Stopp im Hotel zum Weißen Turm schlendern wir durch die Gassen der wunderschönen Altstadt und genießen das zarteste Rumpsteak seit Jahren in der Niederhutklause nahe dem östlichen Stadttor.
Von Ahrweiler über Dernau nach Rech (12km, 5-6 Std.)
Nachdem wir die Ahrhutstraße für ein paar Fotos in der Morgensonne zum Ahrtor hinunter und wieder zurück gegangen waren, wartete der Aufstieg zurück zum Rotweinwanderweg auf uns. Hinauf zu den Brückenpfeilern einer vor mehr als hundert Jahren begonnenen Eisenbahn, die Lothringes Erz ins Ruhrgebiet bringen sollte, aber eventuell auch deutsche Soldaten nach Lothringen. Als der Versailler Vertrag den Ausbau der Strecke auf ein Gleis beschränkte und die Weltwirtschaftskrise die Stahlerzeugung zum Erliegen brachte, wurde die Fertigstellung der Bahnlinie ganz aufgegeben.
Wir wenden uns nach Westen, durchqueren Weinberge und folgen nach einer halben Stunde einem schmalen Weg rechts hoch zum Parkplatz der Dokumentationstätte Regierungsbunker, den wir überqueren, bis wir vor dem Eingang des Tunnelsystems stehen. Hier hatte Adenauer nach dem Beitritt der BRD zur NATO in einem Tunnel der nie fertig gestellten Eisenbahn nach Lothringen einen atombombensicheren Unterschlupf der Regierung einrichten lassen. Streng Geheim!
Vorbei am Hotel Hohenzollern wandern wir auf dem Filetstück der Rotweinwanderwegs leicht bergauf bis zum Weingut Försterhof. Wer zeitig dran und gut zu Fuß ist, sollte vorher noch den lohnenswerten Abstecher zum Aussichtspunkt auf der „Bunten Kuh“ machen.
Wir genießen auf der Terrasse des Weinguts Försterhof den „Blanc de Noir“ und teilen uns einen Flammkuchen. Das Ambiente ist ein bunte Mischung aus Hundertwasser und Dale, hat aber auch seinen Charme und vor allem einen grandiosen Blick auf die umgebenden Weingärten. Schweren Herzens machen wir uns wieder auf die Socken und wandern weiter.
Wir nehmen aber den oberen Zweig des alten Rotweinwanderwegs, der nicht als Traktorautobahn betoniert wurde und weniger frequentiert ist. Während die meisten der neuen Ausschilderung ins Tal folgen, bleiben wir auf der Höhe. Auch das Weingut Klosterhof Marienthal umgehen wir weiträumig und kommen dabei am zweiten Ausgang des ehemaligen Regierungsbunkers vorbei.
Eine halbe Stunde später nehmen wir am alten Eisenbahnviadukt den Abstecher hinunter nach Dernau. Die alte Kirche wurde um ein Seitenschiff mit modernen Glasfenstern erweitert, was einen großzügigen, harmonischen Innenraum ergibt. Eine gelungene Symbiose aus Überliefertem und Moderne.
Nach so viel Kultur im Geistigen steht uns der Sinn nach Leiblichem. Die Gutsschenke im Hofgarten gegenüber der Kirche kommt da wie gerufen. Zwiebelkuchen und ein Viertel Ahrtaler Weißwein bringt uns wieder zu Kräften.
Zurück auf dem Rotweinwanderweg wendet sich der nach kurzer Zeit südlich und lässt Dernau links liegen. Nach einer guten Stunde liegt unten Rech mit der alten Nepomuk-Brücke und wir fallen auf der Terrasse des Hotel Appelt erleichtert in einen Stuhl. Die längste Etappe unserer Tour haben wir geschafft.

Wir bestellen das kleine Menü für Halbpensionsgäste, weil alle anderen Lokalitäten diesseits und jenseits der Ahr geschlossen haben. Offensichtlich sind nur am Wochenende genügend Wanderer und Ausflügler unterwegs. Da scheint ein prinzipieller Interessenkonflikt vorzuliegen, uns war heute, mitten in der Woche dieser Abschnitt des Rotweinwanderwegs zu belebt.
Von Rech nach Altenahr ( 7km, 2-3 Stunden)
Am letzten Tag unserer Tour freuen wir uns auf den romantischsten Abschnitt des Rotweinwanderwegs. Wir steigen über die Brücke der Ahrtalbahn auf zum Wanderweg und machen uns auf Richtung Mayenschoß. Schon von der Nepomukbrücke hatten wir die Ruine der Saffenburg gesehen, auf die wir jetzt zuwandern. Nachdem wir eine etwas engere Felspassage passiert haben, lassen wir uns im Podcast den ersten Teil der Geschichte der vielen Eroberungen der wehrhaften Burg erzählen.
Kurz nachdem wir die Korbachhütte passiert haben, liegt eine kleine Kapelle vor uns über dem Rotweinwanderweg. Offensichtlich hat dort jemand Hochzeit gefeiert, denn viele abgebrannte Tropfkerzen säumen den Wanderweg und die Treppe zur Kapelle. Schade, dass weder die abgebrannten Behälter, noch die zahlreichen leeren Weinflaschen rechts und links des Wegs wieder weggeräumt wurden!
Wir passieren das Weingut Michaelishof, dessen Terrasse verlockend in der Sonne liegt und das mit allerlei kulinarischen Leckerbissen lockt. Aber heute ist unser letzter Tag und der Zug wird nicht auf uns warten.
Die nächste Stunde schlängelt sich unser Weg durch herbstlichen Wald, bis wir das Altenahrer Eck erreichen, das uns mit einem traumhaften Ausblick auf das hier enge und romantische Ahrtal für die Anstrengungen belohnt. Unter uns die Ahr und die Eisenbahnbrücke, die Straße und die Autos, die wie auf einer Modelleisenbahn um die Kurven düsen.
Ein Stück weiter leuchtet das weiße Kreuz aus dem gelb-rot-orange-grün der Weinberge und zeigt das nahe Ende unserer Wanderung. Der Besuch der Ruine Altenahr mit der Fülle der mit ihr verbunden Histörchen und das Gymnicher Tor, eine alte Vorburg mit Palas, sind zweifellos der Höhepunkt. In den Podcasts erfahren wir, wie sich zwölf aufmüpfige Patrizier aus dem Kölner Stadtrat befreien konnten, die der Kölner Erzbischof hier kurzerhand einkerkern lies, um sie aus dem Weg zu schaffen.
Wir steigen zum Schluss den Treppenweg hinunter nach Altenahr, werfen noch einen Blick in die mit Schieferbrocken gemauerte Kirche und warten bei einem Flammkuchen und einem Glas Weißwein auf unseren Zug zurück nach Hause.
Weißwein auf dem Rotweinwanderweg? Ja, wir haben den idealen Kompromiss gefunden! Der Rotwein ist, man möge uns verzeihen, nicht unser Beuteschema: Süß-sauer, wenig aromatisch und nichtssagend im Abgang – außer vielleicht der Ankündigung von Sodbrennen!
Aber der „Blanc de Noir“, ein Weißwein aus den roten Trauben des Ahrtaler Spätburgunder, der zwar eine rote Schale, aber ein helles Fruchtfleisch hat, schmeckte uns besser als alles andere!