- Reisetagebuch Nordperu
- Die schwarzen Geier von Huaca Rajada
- Kuelap, die Festung der Nebelkrieger
- Abenteuer in den Anden Perus
- Cajamarca, Traumstadt in den Anden
- Die Pyramide der doppelköpfigen Schlange
Im Norden Perus hat das Volk der Moche um die Zeitenwende riesige Payramiden aus Adobe zur Verehrung ihrer Götter geschaffen und ihren Fürsten, Heerführern und Priestern Grabmale mit errichtet, die zu den reichsten in beiden Amerikas zählen.
Der Zug der Pilger
Hoch über der Flussoase von Ventarron kreisen die schwarzen Geier und beäugen neugierig die langen Karawanen der Bauern, die singend gen Osten ziehen. Noch werfen die hohen Palmen lange Schatten auf die schmalen Wege und schützen Pilger und Lamas vor der Hitze des Mittags. Ihr Ziel ist der heilige Ort Huaca Rajada, der gespaltene Berg.
Rauch steigt von dort auf und weist ihnen den Weg, den schon ihre Vorfahren zur Wintersonnenwende beladen mit Lehmziegeln gegangen sind – leise fluchend und ohne Gesang. In Jahrhunderte währender Fronarbeit ist der gespaltene Berg aus Lehmziegeln als Tribut an „El Senor de Sipan“ von ihren Vätern und deren Vätern erbaut worden.
Der höhere Teil als Pyramide der Sonne, die niedrigere Pyramide für den Mond und dazwischen die mächtigen Treppen und Rampen, damit der Zug der Zeremonie mit dem Herrscher, dem Hohepriester und der Seherin von einer Plattform zur anderen wandeln konnte, um die Brandopfer zu vollziehen.
Heute steigt der weiße Rauch jedoch von der dritten, der niedersten Plattform auf, dort wo schon der alte Herrscher einst begraben wurde und auch der Furchterregende heute Abend beigesetzt werden wird.
Wenn die Sonne im Meer untergeht und der bleiche Vollmond aus den Cordilieren emporsteigt, wird das Gleichgewicht zwischen Werden und Vergehen, zwischen den goldenen Strahlen der Sonne und dem sanften silbrigen Leuchten des Mondes hergestellt sein und die Tore zur Welt der Ahnen werden weit offen stehen, um den Herrscher mit seinen engsten Vertrauten aufzunehmen.
Die Geier waren mit den Karawanen mitgeflogen und hockten im dichten Geäst der Bäume, die rund um den Grabhügel im feuchten Talgrund wuchsen. Von ihrem hoch in den Zweigen liegenden Ausguck konnten sie in die Grube mit dem hölzernen Sarkophag äugen. Mächtig herausgeputzt lag da der Herrscher mit der goldenen Sonne über seinem Haupt schwebend und der schweren Kette mit den Erdnüssen auf den Schultern: zehn goldene Erdnüsse für den Sonnengott und zehn silberne für die Mondgöttin.
Der Umhang über und über mit Goldplättchen bestückt, die den Strahlenden bei den Zeremonien auf den Pyramiden als Lichtgestalt erscheinen ließen und die Sonnenstrahlen als grelle Blitze in die Menge der Untertanen schleuderten. Um den Hals trug er die breite Muschelkette, mit farbigen Korallen abgesetzt, wie wir es auch von den Pharaonen kennen.
Dieses Opferritual sollte die Überlegenheit des Volkes der Moche über die wilden Völker des Nordens und des Südens über alle Zeiten festigen und den Herrschenden die Kraft und Stärke des unterworfenen Feindes zuführen. Die Zeichnungen auf dem Wandfries der Gräber haben dies für alle Zeiten festgehalten. Auch wenn die Interpretation mancher Details der Fantasie des Betrachters überlassen bleibt. So düst z.B. der gefleckte Jaguar mit seinem Feuerstuhl auf die Opferscene zu während seine geflügelten Gefährten hinterher fliegen.
Eine ausführliche Dokumentation zu den Opferritualen und vergleichende Zeittafeln finden Sie im Archiv unter „El Senor de Sipan„
Das Begräbnis
Als die Sonne hinter dem Horizont versinkt, werden der Sarkophag des Herrschers, die drei Särge seiner Frauen und der seines zehnjährigen Kindes mit Schilfmatten abgedeckt. Seine Leibwache und Haustiere wurden mit ihm begraben, damit er in der Welt der Ahnen seine Liebsten um sich haben möge.
Mit Balken abgestützt und Strohmatten abgedeckt wurde das Grab mit den Lehmziegeln der Pilger zugemauert, damit auf der neu entstandenen Plattform das Feuer der Nacht entzündet werden konnte, das weithin leuchtete und den Pilgern beim Totenmahl als Beleuchtung diente.
Die schwarzen Geier hatten die Köpfe ins Gefieder gesteckt. Ihr Tag würde morgen kommen, wenn die Pilger längst wieder auf dem Heimweg wären.