Bastia ist für uns das Tor nach Korsika. Nach vier Stunden auf der Fähre von Livorno (hier finden Sie die richtige Zufahrt) schaukeln wir das Wohnmobil über die Laderampe und kurven auf der Nationalstraße im Tunnel unter der Altstadt, dem alten Hafen und der Zitadelle von Bastia hindurch. Schade eigentlich. Also machen wir auf „Les Sables Rouges“ Station und schlendern zurück nach Bastia.
Guerilla Gardening in Bastia
Unauffällig markiert der blaue Fisch aus einer kunstvoll gestalteten Kachel an der alten Mauer den Aufstieg zur Altstadt von Bastia. Eine halbe Stunde etwa waren wir unter Palmen an der Uferpromenade vom Camp „Les Sables Rouges“ nach Norden gewandert. Rechts das dunkelblaue, Thyrrenische Meer, links die Hauptstraße, auf der sich mal wieder die Autos endlos stauen, weil die Luft im Altstadttunnel zum ersticken ist und deshalb kurzzeitig gesperrt.
Am kleinen Kiesstrand, kurz vor dem Tunnel, entdecken wir links die steinernen Treppe, die von der Mariengrotte im
Graben an der Straße zu den großen, alten Wohnhäusern hinauf führt und uns endlich vom Straßenlärm entfernt.
Hundert steile Stufen später, schon hoch über der Uferstraße, werden die Treppen zum breiten Kopfsteinpflasterweg und der steile Hang ist dicht mit Obst- und Kastanienbäumen bewachsen.
Ganz aufgeregt tritt uns ein kleiner, älterer Herr in den Weg und erzählt überbordend in Französisch, dass er dort hinten drei wunderschöne Pflanzen gesetzt hat, die bald größer als wir sein würden und dann auch über und über blühen. Wir lächeln und geben zu verstehen, dass wir nicht viel von dem verstanden haben, was er uns da alles erzählt hat. Was er nicht so recht versteht.
Seine äußere Erscheinung will so gar nicht recht zu einem älteren Herrn als Gärtner passen: Amerikanische Baseballkappe, schwarzes Hemd mit irgendeinem seltsamen Aufdruck und dunkle Hose?
Unter einem tief hängenden Feigenbaum kommt ein junger Mann mit dunklem Lockenkopf hervor, der dort an einer Bank aus hellen Europaletten gesägt hat und erklärt dem Opa: „Ils sont Allemand, ils ne comprend pas“. Recht hat er! Aber dass der alte Herr ein Guerilla-Gärtner ist, der hier in Bastia ein verlottertes Stückchen Land unterhalb der Altstadt wieder in ein Gartenparadies verwandelt, kapieren wir schon! Lachend bedanken wir uns für die Erläuterungen und steigen schmunzelnd die letzten Stufen zur Altstadt mit ihren engen Gassen und verlotterten Häusern hoch.
Bewohnte Abbruch-Häuser
Über weitere Treppen und durch nur scheinbar verlassene, enge Gässchen schlendern wir vorbei an Abbruch-Häusern, hinunter in Richtung Neustadt. Marode ist geschmeichelt. Diese Häuser brauchen ein Wunder, da hilft keine Sanierung mehr. Und doch sind die Häuser bewohnt – naja, auf dem Balkon sollte man besser keine Wäsche mehr aufhängen gehen.
Da sind die verblassten Graffiti vom wohlgenährten Petrus und Paulus und die der zwei diskutierenden, korsischen Edelleute in der Rue Camparini schon fast ein Lichtblick.
Unterhalb des gerade in Renovierung befindlichen Palace de Justice tauchen wir in eine andere Welt ein. Hier beginnt der Boulevard Paoli und mit ihm die Welt des Kommerz, des lauten, stinkenden Verkehrschaos, der Läden und Boutiquen. Feinstaub ist hier offensichtlich dank der steifen Brise vom Meer kein Thema oder wird das einfach ignoriert?
Wir finden in der Rue César Campinchi das „U Montagnu“ – der Delikatessladen schlechthin – leckere Kekse und extrem schimmligen Ziegenkäse (ohne Maden!) und lassen unseren Schätze gut verpacken!
Der Weinladen „La Cave des Corse“ ist ganz üppig bestückt, aber wir haben keine Lust, Flaschen zu schleppen und nehmen nur ein nettes Bonmot mit:
„On ne peut pas acheter de Bonheure, mais en peut acheter du Vin – et c’est presque la même chose!“
Kaffee, Pause, Sundowner? Am Place Saint Nicolas steht Stuhl an Stuhl – wie sollen wir uns da entscheiden? Sonne? Ja Sonne, so wird’s fast das letzte Bistro, gleich neben dem riesigen, tonnenschweren Marmor-Napoleon, der ziemlich viel Ähnlichkeit mit Elvis Presley hat!
Saint Jean-Baptiste mit altem Hafen von Bastia in 360°:
Das Beste kommt zum Schluss
Wir trotteln weiter zum Place du Marché – ach, hier gibt’s auch Straßen-Cafés und alle in der Sonne – das müssen wir uns merken! Der Weg zum alten Hafen führt durch enge Gässchen und dann eine steile Stiege hinunter durch das mexikanische Restaurant. Links und rechts eine einzige Fressgasse, eine Touristen-Kneipe neben der anderen! Die Boote und der Hafen werden zur Dekoration.
Am späten Nachmittag im Mai ist noch nichts los und die Kellner stehen sich die Füße in den Bauch mit ihren immer gleichen Speisekarten in den Händen nach Gästen heischend. Nur der Vietnamese und der Mexikaner sind anders – aber wer braucht das auf Korsika?
Über viele Stufen steigen wir vorbei am Garten des Gouverneurs hinauf zur Zitadelle – ein trutzige Burg mit doppeltem Tor in einer riesigen Mauerbastion und Zugbrücke vor dem Palast. Die Besatzer hatten wohl ganz schön Respekt vor den aufständischen Korsen. Heute ist der Gouverneurspalast ein Museum und natürlich schon zu, bis wir Traumwanderer in die Gänge kommen.
Wir werden mehr als entschädigt: Der Platz vor dem Palast bis hinunter zur Aussichtsterrasse bietet echt nette, authentische Lokalen und einen tollen Blick auf Bastia mit altem Hafen und Meer mit neuem Fährhafen und die Berge des Cap Corse im Norden.
Wir genehmigen uns im „Petit Vincent“ einen korsischen Punsch – sowas von lecker – und einen korsischen Weißwein – sowas von sauer – und machen uns ein wenig beschwingt auf den Heimweg. Die Gässchen und winzigen Plätzen der Zitadelle sind jetzt voller Leben, Jungs jeden Alters spielen jetzt Fußball und haben Spaß.
In der Rue César Vezzani kommen wir an der Bar Polo vorbei, die mich frappierend an den Stützpunkt der Bertolis in „Der Kopf des Korsen“ erinnert. Schnell gehen wir weiter, ehe wir uns mitten in der Schießerei einer korsischen Familienfehde wiederfinden.
Ein paar Schritte weiter führt unsere Treppe wieder hinunter zum Guerilla-Gärtner und seinem Enkel, die inzwischen aus den Europaletten eine veritable Aussichtsbank gezimmert haben, deren Rückenlehne zugleich Container für üppig blühende Geranien ist. Wir bewundern ausgiebig die Blumen und auch die kleinen Gemüsebeete, die dem morbiden Bastia dann doch noch einen gewissen Charme verpassen.