- Vietnam, Land im Umbruch
- Der Drache und der Kranich
- Die uralte Schildkröte Cu Rua
- HaLong, wo der Drache landete
- Duong Lam, lebendige Vergangenheit
- Die Pagode mit dem Pinsel
- Der Impulsmaler Lúu
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- Das Geheimnis der Marmorberge
- Angst & Schrecken in Hoi An
- Ho Chi Minh City
- Tradionelle Medizin
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- Im Delta der neun Drachen
- Saigon Sundown
- Saigon mit Kaffee und Feuertopf
Die uralte Sage von den Kindern des Seedrachen und der Bergfee lüftet ein klein wenig den Schleier, der heute das wiedervereinigte Vietnam aufhübscht. Reisen Sie nach Vietnam mit offenen Sinnen und genießen Sie die uralte Kultur!
Vor langer Zeit, wenig nachdem Himmel und Erde geschaffen wurden, lebte ein Volk von Reisbauern und Fischern im Delta des roten Flusses, das sie Lac Viet nannten. Zur Regenzeit überschwemmten seine Fluten ihre Felder und die Fische sorgten für einen reich gedeckten Tisch. Die frische Erde aus den Bergen, die im Norden das Land begrenzten, düngte die Felder und der Reis wuchs kräftig und brachte reiche Ernten.
Heute sind die Flüsse zunehmend durch Dämme in den Bergen reguliert und wandeln ihre unbändige Kraft in Elektrizität. Damit bleibt aber auch der fruchtbare Schlamm aus, der die Felder düngte. Für Kunstdünger fehlt den Bauern das Geld, die an einem Kilo Reis nur noch etwa einen Cent verdienen, seit der Staat den Preis reguliert.
Eines Tages wurde Lac Long Quan, Sohn des Königs der Berge, König. Seine Mutter war eine Wassergöttin, die sich in einen Seedrachen verwandeln konnte. Lac Long Quan hatte diese Eigenschaft von ihr geerbt und baute deshalb seinen Königspalast unter Wasser, mitten im See. Jeder der ihn sprechen wollte, musste nur ans Ufer treten und „Oh Vater“ rufen, damit er auftauchte.
In Hanoi ist heute noch der große Westsee mitten in der Stadt. Wenngleich die Paläste in die Jahre gekommen sind und am Ufer und nicht mehr im Wasser stehen. Die Kanäle, welche einst den See mit dem roten Fluss verbanden, sind dreckige Kloaken, an deren Ufer sich der Plastikmüll der rasant wachsenden Großstadt türmt. Wer heute regiert, baut sich sein Sommerhaus in die Berge von Bac Ha, ins Davos Nordvietnams.
Der Kampf des guten Königs
Eines Tages, als Lac Long Quan in Gestalt eines Seedrachen auf der Jagd war, verdunkelte ein großer Schatten die milchige Sonne. Als er aufschreckte, sah er einen schwarzen Greif aus dem Himmel hernieder stürzen, um einen zarten weißen Kranich zu packen, der zwischen Lotosblüten im seichten Wasser stand. Der König schleuderte einen Feuerstoß nach dem Monster, der lies den Kranich los und verwandelte sich in einen fauchenden Tiger, der zum Sprung ansetzte und Lac Long Quan niederwarf. Der bittere Kampf tobte lange, bis der ermattende Drache endlich zum letzten Schlag mit seinem Schwanz ausholte und das Monster bezwang.
Die Tage an denen die tieffliegenden Bells und Tigers die Sonne verdunkelten und ihre Rotoren wie mächtige Flügel die Luft erbeben ließen, sind Gott sei Dank lange vorbei. Was blieb, ist ein Kriegsmuseum mit Relikten und erschütternde Fotos von Napalm, Feuer und Rauch, die damals um die ganze Welt gingen. Neu sind die Touristen, für die Minenfelder und unterirdische Stollensysteme als Attraktion vermarktet werden. Dort sind tausende Menschenleben auf beiden Seiten für eine Ideologie geopfert worden – ein Friedhof und Sühnezeichen wären angebrachter! Gehen Sie dort nicht hin!
Der Kranich breitet seine Flügel aus
Der Kranich war zu Tode erschrocken aber nicht ernsthaft verletzt. Lac Long Quan kam näher, da erwachte der Kranich plötzlich aus seiner Schreckstarre und eine Wolke weißer Federn stob auf. Der König ahnte mehr als er sah, dass darin eine wunderschöne Fee verborgen war. Als er die schreckgeweideten Augen sah, verwandelte er sich vom Drachen in einem stattlichen Jüngling, dessen königliche Gewänder seine edle Herkunft spiegelten. Ihr Name war „Au Co“ und ihre Heimat die Berge. In die Ebene war sie gekommen um Heilpflanzen für die Kranken zu suchen, die sie pflegte.
Für den König war es Liebe auf den ersten Blick. Auch Au Co fühlte sich zu ihrem Retter mehr hingezogen als je zu jemand anderem. So heirateten sie und bauten sich ein Pfahlhaus inmitten eines wundervollen Gartens mit vielen zahmen Tieren. Ihr Glück schien vollkommen, als sich ein Jahr später Nachwuchs einstellte. Aber statt eines Kindleins gebar Au Co einen Beutel, der wie eine goldene Blüte aussah, die noch geschlossen ist. Er enthielt einhundert kleine Eier, aus denen sich magisch kleine Babies entwickelten, die viel schneller als gewöhnlich zu tapferen und höflichen Jünglingen heran wuchsen.
Die Nachfahren des Drachen und der Bergfee
Trotz ihrer hübschen Söhne war Au Co nicht rundum glücklich. Lac Long Quan lebte die meiste Zeit des Jahres als Seedrache in seinem Wasserpalast, während die Bergfee sich einsam fühlte und Heimweh hatte. „Ich vermisse die Berge meiner Kindheit“ seufzte Au Co und der König sagte: „Ich bin von Natur aus wie ein Drache und du bist eine Fee. Unsere Gewohnheiten und Wünsche sind ganz unterschiedlich. Lass uns getrennt voneinander leben! Obwohl das schwer sein wird, wissen wir doch, dass wir einander gern haben“.
Zu seinen Söhnen sprach er: „ Die eine Hälfte wird mit eurer Mutter in die Berge ziehen, während die andere Hälfte mit mir ans Meer geht. Sollte je einer Hälfte Gefahr drohen, wird die andere sofort zu Hilfe eilen“. So folgten fünfzig Söhne Au Co ins Bergland um Reis und Mais anzubauen, während die anderen fünfzig mit Lac Long Quan an die Küste zogen, um Fischer zu werden.
So begann die Hung Dynastie und die Geschichte der Viet Nam, die sich noch heute als Nachfahren eines Seedrachen und einer Bergfee bezeichnen.
Das Nationalepos Vietnams
Diese Legende ist so etwas, wie das Nationalepos Vietnams, vergleichbar dem Nibelungenlied. Vielleicht ist daraus zu verstehen, warum der kommunistische Norden den imperialistisch besetzten Süden befreien wollte. Ganz sicher haben die Vietcong die Propaganda geglaubt, nach der die Brüder und Schwestern im Süden von fremden Usurpatoren unterdrückt wurden und die es zu befreien galt.
Wie entsetzlich war die Erkenntnis, dass die Städte im Süden weit fortgeschrittener in ihrer Zivilisation waren und die Einwohner alles andere als glücklich über die Befreiung. Die politisch motivierte Umsiedlung von Millionen Menschen vom Norden in den Süden, um das Mekongdelta landwirtschaftlich auszubeuten, ging an der Weltöffentlichkeit fast spurlos vorüber. Wären da nicht die boat people gewesen und die Cap Anamur und heute die Deutschen vietnamesischer Abstammung, wer würde sich dafür noch interessieren?
Ein geteiltes Land, so haben wir Vietnam in der Schule kennengelernt. Die Demarkationslinie am 17ten Breitengrad trennt das Land heute nicht mehr, sie wird nur noch von Kriegsveteranen besucht. Die Wiedervereinigung nach einem langen, grausamen Krieg hat zwar das Land geeint, die Volksstämme aber bleiben verschieden.
Quelle: Die Legende der 100 Eier