Schon bei der Fahrt zur Wanderung ins „Wilde Erzgebirge“ erleben wir unsere erste Überraschung, als wir unser Wohnmobil auf dem Stellplatz bei den Eibenstocker Badegärten oberhalb der Brendelzeche abstellen. Ob einer meiner Vorfahren hier nach Zinn oder Wismut gegraben hat? Außer einem großen Steinhaufen inmitten streifenartig angelegter Felder ist nichts mehr zu sehen, aber ein Stück nördlich liegt der Bergbaulehrpfad, wo man mehrere Gruben und Schächte besichtigen kann.
Wie alles begann
Dazu fahren wir am nächsten Tag das kurze Stück nach Blauenthal. Das Hammerwerk wurde vor 500 Jahren von einem Andreas Blau aus Nürnberg angelegt, das in den nächste 300 Jahren zur bedeutendsten Weißblechfabrik im Erzgebirge wurde – bis die Engländer mit der Dampfmaschine eine mächtigere Energiequelle als die der Wasserräder an der Großen Bockau erfanden, die das Walzen von Eisen zu Blech viel rationeller erlaubte als das Hämmern von Eisenstangen. Weil das Blech mit Zinn aus den Bergwerken von Eibenstock verzinnt wurde, hat der Niedergang des Hammerwerks auch den Bergbau zum Erliegen gebracht.
Sachsens größter Wasserfall
Die einstigen Besitzer der hiesigen Wald- und Wiesenflächen, die Familie Toelle, betrieben hier in der Nähe an der Mulde eine Holzschleiferei für die Papierherstellung. Für den Betrieb wurde Wasser zum Betreiben der Turbinen benötigt. Aus diesem Grunde wurde oberhalb der Fabrik ein künstliches Grabensystem angelegt, welches Wasser bis an die Felsklippe heranführt. Dort leitete man das ankommende Wasser durch große Druckrohre direkt auf die Turbinen der Schleiferei.
Die Familie Toelle betrieb damals aber auch noch die „Restauration Forelle“ und den herrlich angelegten Forellengarten. Um den Gästen ein besonderes Erlebnis zu verschaffen, wurde das Wasser an den Sonn- und Feiertagen über die Felsen geschickt, da es in der Schleiferei nicht gebraucht wurde.
Der Wasserfall läuft jetzt auch unter der Woche, weil es die Holzschleiferei schon lange nicht mehr gibt. Auch die „Forelle“ ist seit einiger Zeit geschlossen. Sie fällt damit als Endstation für unsere Wanderung leider aus – schade!
Der Wanderweg „Wildes Erzgebirge“
Vorbei an einem alten Forellenteich für das Restaurant führt unser Weg steil bergauf auf das Plateau über dem Wasserfall, von wo wir auf Blauenthal hinunterschauen. Der Bachlauf ist in einem beidseitig mit Mauern befestigtem Graben gut zu erkennen und wir finden auch das hölzerne Wehr, mit dem das Wasser auf die Turbinenrohre umgeleitet werden konnte.
Hier spielt auch die Sage vom Arbeiter und dem weißen Geist:
Durch den Niedergang des Hammerwerks geriet der Besitzer in große Bedrängnis. Einem treuen Arbeiter ging die Not seiner Herrschaft sehr zu Herzen. Er wollte gern helfen, wenn es nur in seiner Macht gestanden hätte. Da träumte er einst von einem weißen Geiste, der ihm laut und vernehmlich zurief: „Komm, geh‘ mit mir!“ Er erwachte und wunderte sich über den Traum, schloss in der Furcht die Augen wieder und schlief weiter.
In der nächsten Nacht träumte er dasselbe zum zweiten Male und lebhafter noch als vorher. Beim Erwachen war es ihm, als sähe er neben seinem Bette die weiße Gestalt. Mit Schaudern zog er die Decke über sich. Schlafen konnte er nicht mehr. Als der Morgen anbrach, eilte er nach Eibenstock zum Pfarrer Busch und erzählte ihm den Traum. Der Geistliche gab ihm nun den Rat, wenn der Geist wiederkäme, solle er sagen: „Alle guten Geister loben Gott, den Herrn!“ Antwortet die weiße Gestalt: „Ich auch!“ so möge er seine Abendmahlskleider anlegen und ohne Furcht der Stimme folgen.
In der dritten Nacht kam der Geist wirklich wieder. Der Arbeiter wachte auf und hörte deutlich die Worte: „Komm, gehe mit mir!“ Zitternd rief er: „Alle guten Geister loben Gott, den Herrn!“ Sofort antwortete die Stimme: „Ich auch!“ Da legte der Mann seine besten Kleider an und folgte der weißen Gestalt, die ihn durch die dunkle Nacht aus Blauenthal hinaus nach der nahen Steinwand führte, welche das Volk für ein verwünschtes Schloss hielt. Als die beiden hier ankamen, war es dem Arbeiter, als stände vor ihm eine alte Burg mit einem mächtigen Tore. Vor diesem lag ein riesiger Hund mit feurigen Augen. Mit gewaltigem Satze sprang das wütende Tier auf. Als es aber den Geist sah, legte es sich nieder und zeigte nur seine scharfen Zähne. Der Geist berührte das Tor, und sofort sprang es auf. Die beiden traten in eine Halle, in der mehrere Ritter an einer eichenen Tafel saßen und spielten. Diese zeigten auf reiche Schätze, die der Arbeiter zu sich nehmen sollte. Da fiel ihm die Not seiner Herrschaft ein. sofort griff er zu und verließ eilends die geheimnisvolle Stätte.
Am Morgen brachte er die Schätze seinem Herrn mit der Bitte. dass er sie annehmen möge. Von da ab hob sich der Hammer und kam zur Blüte, wie nie zuvor. Dem treuen Arbeiter räumte der Hammerherr ein schönes Zimmer in seinem Gute ein und gab ihm das Gnadenbrot bis an das Lebensende.
Wir folgen dem Wanderweg entlang des Toelleschen Grabens, bis dieser das Steinbächl kreuzt, das durch den Mordgrund der Großen Bockau zufließt. Der Mordgrund hat seinen schaurigen Namen von einem Sühnestein für Anna Marie Nötzold, die 1888 auf dem Heimweg von der Papierfabrik nach Eibenstock von ihrem Freund ermordet wurde, der ihr hier aufgelauert hat.
Die alte Bergarbeiterstadt Eibenstock
Der Ratskeller gegenüber war lange Jahre für seine Erzgebirgische Küche bekannt, hat aber jetzt auch geschlossen. Statt Roulade und einem Bier halten wir uns deshalb an das Café der Konditorei Berger und werden mit reicher Kuchenauswahl und anderen Süßigkeiten belohnt, ehe wir uns auf dem Sosaer Weg an den Abstieg in den Höllengrund machen.
Zur Köhlerstadt Sosa als Zugabe
Wer für einen richtigen Braten oder frische Pilze auch einen Umweg in Kauf nimmt, dem sei der Gasthof zum Schützenhaus in Sosa empfohlen. Auf dem Weg dorthin passiert man dann sozusagen als Bonus den Frölichstollen, der von der Bergbrüderschaft 1996 auf den ersten 50m wieder begehbar gemacht wurde.
Er ist einer der jüngsten Stollen des Grubenfelds „Sosaer Glück“ und wurde von 1872 bis 1883 betrieben. In dieser Zeit wurden 64 Zentner Cobalt und Wismut Erz gewonnen, dann war die Erzader bereits erschöpft. Cobalt ist ein seit langer Zeit bekanntes, seltenes Element und wurde als Cobaltblau vorwiegend zum Färben von Glas und Keramik verwendet, während Wismut als wetterfestes, gelbes Pigment in Farben Verwendung fand.