Was gibt es schöneres, als im Frühling durch grüne, von Schnee und Eis befreite Talauen zu wandern und dabei den Spuren und Gedanken eines unserer romantischsten Dichter zu folgen? Jean Paul, das Saaletal und ein fränkisches Mittagessen: zur Nachahmung empfohlen!
Jean Pauls Jugend in Joditz
Es sind die letzten Tage im März, die ersten Knospen gehen auf und lassen grüne Blattspitzen wie Mäuseohren an den Enden der Zweige aufbrechen, die vom nahenden Frühling künden. Wir parken in Joditz auf der Halbinsel an der Saale, die sie mit dem Abzweig des Mühlbachs zum alten Sägewerk bildet, das seit langen Zeiten die Fichten und Tannen aus dem Leuchtholz in Balken und Bretter für die Zimmerleute der umliegenden Orte sägt. Hier in diesem kleinen Dorf, dessen Häuser sich eng um die kaisergelb verputzte Kirche scharen, wuchs der große, romantische Dichter Johann Paul Friedrich Richter als Sohn des Dorfpfarrers auf:
„Ich habe nichts als mich von meinen Eltern geerbt. Bin J.P.F. Richter, ein unbedeutender Wicht, aber ich wohne darin, im Wicht.“
In seiner „Selberlebensbeschreibung“ nennt der Dichter, der unter dem Pseudonym Jean Paul berühmt wurde, Joditz seinen „geistigen Geburtsort“ und beschreibt die Kinderzeit dort als ärmlich und beengt, aber die glücklichste Zeit in seinem Leben.
Diesem Glück wollen wir heute nachspüren und beginnen unsere Wanderung unterhalb des Jean-Paul Felsens, von dem er in seiner Kindheit wohl so manches Mal auf sein geliebtes Auental und das kleine, eng um die Kirche gescharte Dorf geblickt hat:
„Es kam ihm aber vor, er habe es längst geseh‘n, der Strom um das Dorf, der Bach durch dasselbe, der am Flusse steil auffahrende Waldberg, die Birkeneinfassung und alles war ihm eine Heimat alter Bilder. Vielleicht hatte einmal der Traumgott vor ihm ein ähnliches Dörfchen aus der Luft auf den Schlaf hin gebauet und es ihn durchschweben lassen.“ (Flegeljahre)
Der Steig am Petersgrat
Vom Steig unterhalb des Petersgrats bieten sich uns immer wieder reizende Ausblicke auf die Lamitzmühle, deren mächtiges Wehr die Saale zum Mühlrad drängt. Dort an der engsten Stelle, treibt eine Trauerweide schon hellgrüne Blattspitzen aus ihren tief bis an Wasser hängenden Ruten, wie um die Magie der Kraftentfaltung im Mühlrad vor unseren neugierigen Blicken zu verbergen.
Auf der Wiese vor dem Mühlhaus sehe ich schon die Kinder fröhlich in den Osterferien fangen spielen und die Verstecke für die Nestchen vom Osterhasen nach und nach entdecken. Welch ein Jauchzen, welche Freude wird dort in wenigen Tagen herrschen. Ein der Welt entrückter Ort, an dem die Welt wieder in Ordnung und lebenswert ist. War doch noch vor wenigen Jahrzehnten ein paar hundert Meter die Saale flussabwärts das Ende der freien Welt und mit dem eisernen Vorhang die schier unüberwindliche Grenze zu einem ganz anderen Deutschland.
Der Holzsteg, der dort noch heute die Saale überbrückt, war der Grenzweg für die Patrouille. Um die Ecke, das schmale Brückchen aus uralten, dick grün bemoosten Sandsteinquadern, das den schmalen Tannbach überspannt war tabu. Mit einem tödlichen Bann aus Minen und Stolperfallen unpassierbar gemacht.
Das Paradies an der Saale
Als untrügliches Zeichen der kommenden Karzeit und der Auferstehung des Herren blühen sonnengelbe Osterglocken auf dem schmalen felsigen Sims neben dem Steig.

Mo + Di 11:00-22:00 bei Biergartenbetrieb,
Mi+Fr+Sa+So 11:00 – 22:00 (Do Ruhetag)
Unser Ziel ist jetzt die Fattigsmühle, wo wir unseren Durst mit dunklem Bier stillen, den knurrenden Magen mit gebackenem Karpfen, Schnitzel und Forelle ruhigstellen und mit schwarzem Kaffee verlorenen Energie zurückgewinnen wollen. Dauert ein bisschen, aber unsere Füße danken uns diese verlängerte Pause.
Den kurzen Weg nach Joditz zurück durchs Auental begleiten uns die Gedanken Jean Pauls:
„Warum in die Ferne schweifen?
Warum Venedig, Rom, Paris?
Mein Heimatland, das will ich preisen,
das Auenthal ist auch ein Paradies!“