- Arequipa, das weiße Rom Südamerikas
- Kondor über’m Colca Canyon
- Cusco, das Zentrum der Welt
- Machu Picchu – Tempel im Nebelwald
Von Arequipa in die Hochebene der Anden führt eine gut ausgebaute Fernstraße meist auf einer Höhe von mehr als 4.000m bis nach Juliaca und Puno am Titicacasee. Wir biegen aber nach Norden ab, um über Chivay und Yanque im Colca Cayon den Anden- Kondor zu bewundern und die Frauen der Colaguas an Maria Himmelfahrt tanzen zu sehen. Aber das ist nicht die einzige Überraschung, die uns dort oben erwartet.
Abschied von Arequipa
Alle Straßen ringsum sind gesperrt, also bringt uns der Boy direkt zur Garage, und wir schleppen unser fünf Wochen Gepäck zu dritt. Wir überreden den Typ von der Garage zu einer spontanen Autowäsche, weil man unserem Auto vor lauter Lehm und Staub kaum näherkommen kann, ohne selbst so auszusehen. Dann stürzen wir uns ins Getümmel des Peruanischen Stadtverkehrs. Tanken, Reifendruck, Wasser und Toilette, dann ab in die Berge.
Weit hinauf sind am Vulkan Chanchani die Häuser gebaut – ganz oben die Hütten der Indios ohne Strom und Wasser.
Hinauf in die Pampa
Langsam erreichen wir fast 4.000m Höhe, die Landschaft ist echt Pampa – Gras und Steppenlandschaft. Um uns herum säumen die Sechstausender Vulkane den Horinzont und sehen fast schon wie normale Berge aus. Im Nationalreservat Salinas y Aguada Blanca sehen wir die ersten wildlebenden Vikunjas auf der Pampa da Canahuas. Mein Traumwanderer packt sein Teleobjektiv aus und ist nicht mehr zu halten!
Nach einer Mautstation bei Patahuasi zweigt die Haupstrasse nach Puno rechts ab, wir folgen jedoch der 1S in Richtung Colca Canyon weiter. Beeindruckend die Erdpyramiden aus weichem Tuffstein, die der Regen am Steilhang hinter der trostlosen Arbeitersiedlung aus den vulkanischen Ablagerungen gewaschen hat. Auf der Hochebene, einige zig Kilometer weiter nördlich biegt die 34E als Schotterpiste rechts nach Cuzco ab und verliert sich in der Weite des Alto Plano, auf dem Vikunjas, Lamas und Schafe versuchen ihren Hunger mit dem strohigen Ichugras zu stillen.
Moorlandschaften, ausgetrocknete Salzseen und Wasserläufe, deren Rand noch vom dicken Eis der letzten Nacht weiß glitzert, wechseln sich ab. Vereinzelt Hütten der Hirten und mit Mauern umgebene Krale sind die einzigen Lebenszeichen in dieser verlassenen Landschaft. In langgezogenen Kurven geht es immer höher hinauf zum Abra Patapampa – 4.500m – 4.700m – zuletzt sind es 4.910m und wir erkennen den Aussichtspunkt am Pass an den haltenden Bussen mit Touristen. Hier sind wir höher als der Mont Blanc, der höchste Gipfel der Alpen!
Der Blick ist wirklich spektakulär: Um uns herum Geröllfelder wie auf dem Mond und nicht allzu weit entfernt der Vulkan Sabancaya, der immer wieder dicke Rauchwolken in den blauen Himmel spuckt. Die anderen Vulkane ringsum leuchten mit ihren weißen Schneehauben wie Maroni mit Sahne. Uns ist ganz schön wackelig auf den Beinen und wir laufen langsam und konzentriert. Bei der ersten schnellen Bewegung kommen wir sofort ins Schnaufen, aber dank unserem Mate in der Thermoskanne und den Pastilla para el Soroche überstehen wir die Ochsentour ganz gut und fahren weiter, ehe uns die Busse einstauben.
Immer wieder halten wir an, um diese einzigartige Landschaft zu bestaunen, einen Geist der Bergarbeiter zu fotografieren, von dem in tausend Jahren wohl auch nur noch der Menhir übrig ist, um Archäologen der Zukunft Rätsel über seine Funktion aufzugeben. Vor allem, wenn sie die Berge an leeren Schnapsflaschen um ihn herum entdecken.
Im Tal des Colca Flusses
Am Straßenrand sitzen die Frauen in der traditionellen Tracht der Collaguas mit einem weißen Hut, der mit Perlenmustern verziert ist und Blusen, auf die bunte Bänder genäht wurden. Sie verkaufen farbenfrohe Schals und Tücher aus Alpaka und Wolle, kleine Lamas und andere Kuscheltiere, die meistens aus Bolivien stammen. Hinter ihnen sind an den Hängen fantasievoll angelegte, mal runde, ovale und eckige Terrassenfelder aus der Zeit der Inkas, die jetzt im Winter natürlich graubraun, ockerfarben oder gelb sind. Ab und zu leuchten aber schon saftig grüne Flächen mit frischem Gras.
Auf der Ebene hinter Chivay erkennt man die Häuser von Coporaque, einer der ältesten Siedlungen im Colcatal. Hier soll sich im Jahr 1134 der Inka Mayta Cápac mit der Collagua Prinzessin Mama Tanqaray Yacchi niedergelassen haben, nachdem er mit seiner Armee von Cuzco ausgezogen war, um das Tals des Colca und das Gebiet bis Arequipa zu erobern. Das Tal hat seinen Namen von den Qolqas, Vorratsbehältern der Collaguas, in denen sie Quinoa, Mais, Kartoffeln, Bohnen und andere Feldfrüchte über einen längeren Zeitraum aufbewahren konnten und war bis zur Eroberung durch die Spanier, mit seinem ausgeklügelten Bewässerungssystem die Kornkammer des Inkareichs.
Baden in heißen Quellen
Irgendwann kommen wir wieder auf die „Hauptstraße“ – ein elend staubiger Schotterweg mit tief ausgewaschenen Rillen. Tief unten im Tal entdecken wir die Colca Lodge mit ihren strohgedeckten Häuschen und den grün leuchtenden Thermalbecken – da müssen wir jetzt nur noch irgendwie hinkommen! Schlaglöcher, abgestürztes Bankett, Wasserfurten, eine schmale Brücke über den tief untenliegenden Colca und ein ausgewaschener Feldweg führen zum Ziel.
Wir beziehen ein schlichtes, aber nettes Zimmer in einem Reihenhaus-Hüttchen und gehen erstmal eine heiße Suppe essen. Ein kleiner Rundgang wird meinem Traumwanderer schon zu viel. Ihm ist kalt und er schnieft – also noch einen heißen Tee und dann ab in die Koje!
Als er schlotternd vor Kälte wieder aufwacht messen wir 38.6° Fieber – das braucht’s jetzt aber nicht oder? Ein schnelles Nudelabendessen im Restaurant und mit der Wärmflasche wieder ab ins Bett!
Am nächsten Morgen frühstücken wir gemütlich, als alle anderen längst unterwegs sind zum Croce des Condores. Wolfgang hat trotz Grippetabletten aus unserer Reiseapotheke noch immer Fieber und verschwindet wieder im Bett, ich gehe zu den Becken mit dem Aqua Caliente: kein Mensch da – nur ich!
Das Rauschen des Bachs, das Rufen der Vögel, ein tiefblauer Himmel wie in Griechenland, über und über mit Kakteen und Eukalyptus bewachsene, felsige Hänge – herrlich, das Wasser lässt mich schwerelos entspannen. Augen zu – so muss es im Mutterleib sein – warm, leicht und alle Geräusche weit weg. Ich kann mich nicht entschließen, dieses wohlige Badebecken zu verlassen, welch eine Wohltat und welch wunderschönes Erlebnis!
Kondor über’m Colca Cayon in 360°:
Eine ausgiebige Mittagspause, ein kleiner Spaziergang entlang des Flusses und frisch gepressten Orangensaft als Sundowner um vier Uhr nachmittags. Dann wird’s auch gleich wieder kalt, die Sonne verschwindet hinter den Ausläufern des Mismi und schon ist’s vorbei mit außen sitzen. Heute essen wir richtig zu Abend und sitzen noch ein wenig am warmen, offenen Kamin in der gemütlichen Bar bis wir früh im Bett verschwinden. Mir ist ein bisschen komisch im Kopf und hin und wieder habe ich Herzklopfen, nachts wache ich immer wieder mal auf, weil mir die Luft ausgeht und das Bett viel zu klein ist. Beim Lüften sehe ich den Mond wieder waagrecht liegen und die hellen Sterne klar in der stockdunklen Nacht leuchten. Ist echt toll, aber sowas von kalt – also zurück ins Bett! Bin gespannt wie das auf unserer nächsten Etappe wird?
Maria Himmelfahrt in Chivay
Die Legende erzählt, dass der WITITI Tanz der Collaguas aus der Zeit der Inkas stammt. Als diese das Tal vor fast 900 Jahren eroberten, trugen sie zum Schutz vor Schnee und Eis bunte Gamaschen. Um bei Prinzessin Tanqaray Yacchi vorgelassen zu werden, trugen die Krieger Frauenkleider, weshalb die Wititi Tänzer noch heute in Röcken auftreten. Im 20. Jahrhundert wandelte sich der Tanz zu einem Machtkampf zwischen zwei Fraktionen, bei denen die Männer Röcke und Tücher trugen, um die Schulter Decken banden und Mützen mit Masken aufhatten, um ihr wahres Gesicht zu verbergen. Sie hielten Schleudern in den Händen, mit denen sie während des Tanzes Früchte und Knollen aufeinander warfen. Die Zeremonie wurde wegen der gewalttätigen Auswüchse in den 1960er Jahren verboten.
Heute wird der Wititi wieder als Werbetanz interpretiert und Frauen nehmen in schönen Kostümen elegant gekleidet teil, während die Männer eher schlicht gekleidet und in Jeans daran teilnehmen. Laute Blasmusik, mächtige Pauken, Trommeln und Percussion erinnern uns stark an die Schweizer Guggnmusik und geben machtvoll den Takt für den Tanz vor.
Ärger mit den streikenden Lehrern
Seltsamerweise sind die Planen der LKWs, die auf der 34A an uns vorbeifahren, bekritzelt und auch die Linienbusse kommen uns über und über mit Graffiti beschmiert entgegen: SUTE?
Ein paar Kilometer später sind wir schlauer. An einer Mautstelle stehen Streikposten, die allen Fahrzeugen mit dicken Pinseln ihre Streikparolen auf die Scheiben und Türen malen. Als ich im Rückspiegel sehe, dass auch bei uns einer SUTEP auf die Heckscheibe schmiert, reicht‘s mir und ich schere auf die Gegenfahrbahn aus. Zielstrebig fahre ich durch die Streikenden, um die Sperren aus Altreifen und über die Steine auf der Strasse – es hat irgendwie geklappt!
Kurz nach Juliaca stehen an der Mautstelle schon wieder Menschenmassen auf der Fahrbahn und überall liegen dicke Wacker an Steinen, die man aber nicht passieren kann – was soll das?
Nichts wie rüber auf die Gegenfahrbahn, da ist zwar ein tiefer Graben dazwischen, aber jetzt bewährt sich unser hochbeiniger RAV 4 und wir schaffen den Gegenhang mit Schwung. So schnell wie möglich vorbei, obwohl der Streik sich offensichtlich gerade auflöst, weil alle zu den Minibussen rennen. Na klar, es ist kurz vor eins, da ist Schulschluss und wir kommen ohne weitere Straßensperren und Schrammen nach Puno!