Der Besuch der Meteora Klöster steht bei jedem Reisenden von Nordgriechenland auf dem Programm – und das zu Recht! Sie sind ein Äquivalent zum Berg Athos, der jedoch praktisch nicht zugänglich ist. Wenn man davon absieht, dass nur noch in wenigen Klöstern geistliche Gemeinschaften leben und schon mal Studenten oder ehrwürdig aussehende Rentner in Mönchsrobe die Klöster bevölkern, sind die Geschichten, die sie verkörpern und die Kunstwerke, die sie beinhalten, unbedingt einen Besuch wert.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Wie damals ist am Parkplatz beim größten Kloster „Meteora Metamorphosis“ schon um 9:00 Uhr Chaos pur. Also parken wir bequem vorher am Kloster „Agios Varlaam“, das schon von unten in der frühen Morgensonne sehr beeindruckend aussah. Das eigentliche Kloster liegt hinter verschlossenen Türen (hier gibt es noch echte Mönche) und in die Kirche kommen wir kaum rein, weil eine Reiseführerin ihre Touristen bis ins Detail mit jeder Ikone vertraut machen will.
Ein alter Mönch pflückt lustlos vor dem Eingang leckere rote Kirschen und gibt sie freimütig weiter an die Besucher. Wir genießen noch die fantastische Aussicht und dann am Wohnmobil einen starken Kaffee, ehe wir das Nonnenkloster „Agios Barbaras Rousanou“ in Angriff nehmen.
Viele Stufen durch schattig kühlen Wald führen zum „Adlerhorst“. Die Nonne am Ticketschalter ist etwas freundlicher als der angelaschte Typ in Varlaam. Innen drängen sich die Reisegruppen in den paar Räumen, aber der kleine Balkon ist liebevoll gestaltet und der kleine Garten unterhalb der Brücke ist voll blühender Töpfe – hier sind eben Frauen am Werk.
Wir entscheiden uns, das Metamorphosis auszulassen – das war schon vor zwanzig Jahren eher ein Museum als ein Kloster. Von den Haltebuchten auf der Panoramastraße haben wir eine tolle Sicht auf die Klöster. In der Ferne leuchten die roten Dächer von „Agia Triada“, das auf einem unbezwingbar erscheinenden Felsen thront und ein Stück weiter Kloster „Agiou Stephanou“, das lange Zeit in einen Dornröschenschlaf gefallen war und erst 1961 von Nonnen wieder zu Leben erweckt wurde.
Der Einsiedler Jeremias
Der Felsen im Meteora Gebirge, auf dem heute das Kloster Agiou Stephanou steht, erwies sich als idealer Platz für die Errichtung seiner Eremitenklause. Durch einen breiten und sehr tiefen Spalt ist der Felssporn vom Gebirgssockel getrennt und noch heute nur über eine hölzerne Brücke zu erreichen, die an der festen Klosterpforte endet.
Mich erinnert das an die Geschichte Siddharthas, den Königssohn, der auszog, um die Welt zu heilen. Mit dem Unterschied, dass Siddhartha den Wald der indischen Gurus nach Jahren der Meditation und Entbehrung verlies, als er erkannte, dass passives Leiden und die Entsagung von der Welt zutiefst egoistische Motive sind, die wenig dazu beitragen, unsere Welt zu einem besseren Platz zu machen.
Das Kloster Agiou Stephanou
Ihr Schutzpatron, der heilige Stefanos gilt als der erste Märtyrer der Christenheit und wurde in Jerusalem gesteinigt, nachdem er als Diakon in der Christengemeinde zu hellenistischen Juden gesagt haben soll, dass Jesus von Nazareth den Tempel zerstören und die jüdischen Gebräuche verändern wollte. Seine Antwort auf die Frage des ihn verhörenden Hohepriesters ist in der Apostelgeschichte des Lukas (Kapitel 7, Vers 2 -53) überliefert.
Ob sich die Gründer des Klosters, der heilige Antonius und später der Heilige Philotheus von Trikala auch als Märtyrer gefühlt haben? Immerhin war Antonius ein Sohn des serbischen Königs und seine Mutter aus einer berühmten, byzantinischen Familie. Wir können als sicher annehmen, dass beide, wie damals üblich, als Nachgeborene hierhin verbannt wurden, um Thronfolgern oder anderen Erben aus dem Weg zu sein.
Agiou Stephanou in 360°
Das grausige Kloster der frommen Schwestern
Berühmt wurde das Kloster durch die Schädelreliquie des heiligen Charalambos, die der ungarische Fürst Dragomir vor 500 Jahren dem Kloster schenkte. Charalampos war ein griechischer Bischof, der in Magnesia südlich von Izmir in der heutigen Türkei wirkte. Der Legende nach wurde er im Alter von 113 Jahren vom römischen Statthalter Lucianus gefangen genommen und auf dem Forum von Magnesia öffentlich enthauptet.
Die ganze, grausige Geschichte ist eines der Hauptthemen der Frescos in der Kirche St. Caralambos, dessen heiliger Schädel hier auch aufbewahrt wird. Erst seit wenigen Jahren ist die Renovierung des Gotteshauses durch den berühmten Ikonenmaler Vlassos Tsotsonis abgeschlossen, der in der Art der kretischen Schule religiöse Darstellungen malte.
Besonders beeindruckend ist die Darstellung des Jüngsten Gerichts im Vorraum, bei dem das Feuer des Drachen die Verdammten verschlingt, während die Erzengel Michael und Gabriel die Szene bewachen. Die Kuppel wird traditionsgemäß von Christus Pantokrator, dem Weltenherrscher mit dem neuen Testament in den Händen, den zwölf Aposteln, sowie einem Reigen von Engeln gekrönt.
Die Kirche selbst wurde erst vor zweihundert Jahren im Baustil der Kirchen auf dem heiligen Berg Athos erbaut und besitzt eine Ikonostase, deren Holzschnitzereien voller Heiligengeschichten sind.
Die Detailansichten der Martyrien verschiedenster Heiliger sind nichts für sensible Gemüter und wir sind froh, als wir draußen im Garten erleben, wie die Sonne im Klostergarten Rosen und andere Blumen ins schönste Licht setzt. Ein kleines Paradies auf Erden, wenn schon in der Kirche die Hölle los ist!
Aus der Küche und dem Speisesaal des Klosters klingen die Gesänge der 28 Nonnen und ihrer Äbtissin Agathi Antoniou, die uns daran erinnern, dass sie hier die frohe Botschaft des neuen Testaments leben und sich von den düsteren Visionen des Mittelalters gelöst haben.
Für uns ist Agiou Stephanou vielleicht deshalb das sehenswerteste der sechs Meteora Klöster, wenn es auch in den anderen viel zu bestaunen und entdecken gibt.

GPS: 39°42’34“ N 21°38’23“ E
Täglich 9:00-13:30 & 15:30-17:30 außer Montags